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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron
Autoren: Catherine Fisher
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mit geschmeidigem Flügelschlag aus dem Wasser auf. Die Musik am Ufer klang süß; leises Lachen wehte
zu ihnen herüber. Der alte Mann sagte heiser: »Ich muss jetzt zu ihnen gehen, Finn. Ich muss aufbrechen und Sapphique finden. Er kann sich nicht damit zufriedengegeben haben  – du weißt schon: einfach nur außerhalb zu sein. Nicht, nachdem er dies alles hier gesehen hat.«
    Finn nickte. Er spürte, wie das Boot ablegte, und gab sich dem Auf und Ab der Wellen hin. Die Finger des alten Mannes lösten sich langsam von seinen. Und als er zu den Sternen hinaufschaute, wurden sie immer größer und begannen zu brennen. Sie wurden zu Flammen, zu winzigen Flammen an den Spitzen von kleinen Kerzen, und er blies sie aus, blies sie mit seinem ganzen Atem und all seiner Kraft aus.
    Sie erloschen, und er lachte laut und triumphierend, und all die Menschen um ihn herum lachten mit ihm. Der König in seinem roten Umhang und Bartlett und seine bleiche, neue Stiefmutter und all die Höflinge und Kindermädchen und Musiker. Auch das kleine Mädchen in dem hübschen, weißen Kleid, das Mädchen, das an diesem Tag zu Gast war und von dem man sagte, es würde seine ganz besondere Freundin werden.
    Â 
    Das Mädchen sah ihn an und fragte: »Finn. Kannst du mich hören?«
    Claudia.
    Â 
    Â»Es ist so weit.« Jared blickte hoch. »Ihr sprecht, und Eure Worte werden auf der Stelle übersetzt.«
    Der Hüter war unruhig auf und ab gelaufen und hatte auf die Stimmen draußen vor der Tür gelauscht. Nun kam er und blieb mit verschränkten Armen vor dem Schreibtisch stehen.
    Â»Incarceron«, sagte er.
    Schweigen. Dann erschien auf dem Bildschirm ein kleiner, roter Lichtpunkt. Er war winzig wie ein Stern und starrte sie an.
»Wer ist das, der in der alten Sprache mit mir spricht?«, fragte das Gefängnis.
    Die Stimme klang unsicher und schien viel von ihrem donnernden Grollen eingebüßt zu haben.
    Der Hüter sah Jared an, dann sagte er leise: »Ihr wisst, wer hier spricht, mein Vater. Hier ist Sapphique.«
    Jared riss die Augen auf, sagte aber kein Wort.
    Wieder herrschte Schweigen. Dieses Mal durchbrach der Hüter die Stille. »Ich spreche mit dir in der Sprache der Sapienti. Ich befehle dir, dem jungen Finn nichts anzutun.«
    Â»Er hat den Schlüssel. Kein Gefangener darf entfliehen.«
    Â»Aber dein Zorn könnte ihn verletzen. Und Claudia ebenfalls.« Hatte sich die Stimme des Hüters verändert, als er ihren Namen aussprach? Jared war sich nicht sicher.
    Einen Moment lang kam keine Antwort, dann: »Nun gut. Für dich, mein Sohn.«
    Der Hüter gab Jared ein Zeichen, die Kommunikation zu unterbrechen, doch gerade, als er den Finger ausstreckte, um selbst das Kontrollfeld zu berühren, sagte das Gefängnis mit sanfter Stimme: »Aber wenn du wirklich Sapphique bist, dann haben wir schon oft miteinander gesprochen. Du wirst dich daran erinnern.«
    Â»Das ist lange her«, entgegnete der Hüter vorsichtig.
    Â»Ja. Du hast mir den Tribut gegeben, den ich verlangt habe. Ich habe dich gejagt, und du hast meine Pläne vereitelt. Du hast dich in Löchern versteckt und die Herzen meiner Kinder gestohlen. Verrate mir, Sapphique, wie konnte dir die Flucht gelingen, nachdem ich dich niedergeschlagen hatte, nach dem entsetzlichen Fall durch die Dunkelheit? Welche Tür hast du gefunden, die ich übersehen habe? Durch welchen Spalt bist du gekrochen? Und wo bist du jetzt, dort draußen an Orten, die ich mir nicht einmal vorstellen kann?«

    Die Worte hatten wehmütig geklungen; der Hüter hob den Blick und sah unverwandt in das Auge auf dem Bildschirm. Seine Stimme war belegt, als er antwortete.
    Â»Das ist ein Geheimnis, das ich dir nicht verraten kann.«
    Â»Zu schade. Du weißt, dass man mir keine Möglichkeit gegeben hat, etwas außerhalb meiner selbst zu sehen. Kannst du dir das vorstellen, Sapphique, du Wanderer, du großer Reisender? Kannst du dir in deinen Träumen ausmalen, wie es ist, für immer im eigenen Geist eingesperrt leben zu müssen und nur die Kreaturen sehen zu können, die ihn bevölkern? Man hat mich zwar mächtig, jedoch nicht ohne Fehler erschaffen. Und nur du kannst mir helfen, sobald du zurückkehrst.«
    Der Hüter schwieg. Mit trockenem Mund schaltete Jared den Schirm aus. Seine Hände bebten und waren feucht vom Schweiß. Schweigend sah er zu,
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