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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern
Autoren: Patricia Strunk
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Kristallhusten einmal gepackt hatte, der hielt selten länger als zwei oder drei Jahre durch, bis sein Körper vor Schwäche versagte. Ishiras Mutter war der tückischen Krankheit sogar noch früher erlegen.
    Unter den ersten Bergleuten, die ins Freie traten, befanden sich ihr Bruder, ihr Freund Kanhiro und dessen Vater Togawa. Ihre Gesichter waren von der kräftezehrenden Arbeit und der in der Mine herrschenden Wärme gerötet und verschwitzt und die Haare klebten auf ihrer nackten Haut. Ihre Kandi , die hüftlangen, ärmellosen Obergewänder der inagischen Männer, hatten sie über die Schulter geworfen. Blass schimmernder Kristallstaub bedeckte ihre Körper und ihre Füße waren beinahe so grau wie der felsige Untergrund.
    Kenjin winkte, sobald er Ishira entdeckte. Trotz seiner Erschöpfung grinste er. »Hoi, Nira -Shira!«
    Sie lächelte voller Zuneigung. »Hoi, kleiner Bruder!«
    »Was heißt hier klein?« entrüstete sich Kenjin. »Ich bin inzwischen genauso groß wie Hiros Vater.«
    Das stimmte. Er hatte zu Beginn des Jahres einen Schuss in die Höhe gemacht und mit seinen kaum dreizehn Jahren Togawa so gut wie eingeholt. Doch für seine Größe war er entschieden zu mager, obwohl er Ishira bald die Haare vom Kopf aß. Sie konnte seine Rippen zählen und trotz seiner Muskeln wirkte er schlaksig, als wüsste er nicht recht, wohin mit seinen Armen und Beinen. Ein Junge in seinem Alter sollte nicht jeden Tag von früh bis spät so schwer arbeiten, aber in den Augen der Gohari war ein Kind ab zwölf Jahren alt genug für die Minen.
    Kenjin legte ihr den Arm um die Taille und hob kritisch den Kopf. »Hoffentlich werde ich mal so groß wie du, dann haben es die Gohari schwer, auf mich hinunterzusehen«, verkündete er.
    Ishira wuschelte ihm durch sein dichtes schwarzes Haar, was er mit einem unwilligen Laut quittierte. »Warten wir’s ab.«
    Im Gegensatz zu ihrem Bruder empfand sie ihre Körpergröße, die ihre goharische Abstammung verriet, nicht eben als Vorteil. Sie hätte sich gewünscht, weniger aufzufallen, doch stattdessen überragte sie sämtliche Frauen in der Siedlung und auch die meisten Männer. Selbst Kanhiro, für einen Inagiri hochgewachsen, war einen Fingerbreit kleiner als sie.
    »Hauptsache, du wirst nicht zu groß, Ken«, lachte ihr Freund. »Sonst können wir mit dir irgendwann die Stollendecke abstützen.«
    Diese Vorstellung brachte Ishira zum Kichern. Kenjin schnitt ihnen beiden ein Gesicht und blies sich beleidigt ein paar widerspenstige Strähnen aus der Stirn. Wie bei allen inagischen Jungen war sein Haar kurz geschnitten. Erst wenn er mit sechzehn den Status eines Mannes erlangte, durfte er es wachsen lassen.
    Als sie an den beiden Telani vorbeikamen, hielt der Platzaufseher, der bei ihnen stand, Togawa zurück. »Du bleibst noch. Wir haben mit dir zu reden.«
    Ishira spürte, wie Kanhiro neben ihr erstarrte. Auch in ihr regte sich Furcht. Was hatte das zu bedeuten? Sein Vater blieb gehorsam stehen. Er war nicht der einzige, den der Reshir aus der Menge pickte.
    Kenjin drängte sich näher an Ishira. »Was wollen die Gohari von uns, Nira?« flüsterte er ängstlich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Ken.«
    »Los, los, geht nach Hause!« befahl der Aufseher barsch.
    Widerstrebend verließen sie das Minengelände durch das breite Holztor, das von zwei Kireshi flankiert wurde. Beide trugen den gestickten Tenishi auf den Aufschlägen ihrer langen dunkelroten Westen, der sie als Krieger des Fürstentums Rosho auswies. Den Fürsten selbst hatte Ishira noch nie gesehen. Sie hatte auch keine Ahnung, wo er lebte. Wie alle anderen Bewohner Soshimes hatte sie nie einen Fuß aus dem Tal gesetzt, in dem sie aufgewachsen war, und die goharischen Händler, die am Tag der Mondwenden gelegentlich ins Dorf kamen, geizten nicht nur mit ihren Waren. Sie wusste nur, dass es auf der Insel noch weitere Fürstentümer gab, die die Gohari Hems nannten, und dass jedes Hem Kristallminen besaß.
    Die von unzähligen Füßen und schweren Wagen festgestampfte Straße führte von der Mine am Berghang entlang nach Osten und vereinigte sich bald darauf mit dem Weg, der vom zweiten Bergwerk herabführte. Auch die Arbeiter der Ostmine befanden sich auf dem Heimweg. Lachen und Rufe schwirrten durch die Luft, als sich Freunde und Verwandte zusammenfanden. Kanhiro ging langsam und warf immer wieder einen Blick zurück. Sein ganzer Körper verriet seine Anspannung.
    Ishira legte ihm leicht eine Hand auf den
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