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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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in ihn gewesen und hätte ihn jeden Tag zum Jagen mitgenommen. Nicht daß Samson sonderlich großes Gefallen gefunden hätte an dem Gemetzel, das die Leute vom Lande mit Federvieh und anderem Getier veranstalten, aber er fürchtete, seinem Gastgeber zu mißfallen, wenn er vor solchem Vergnügen die Nase rümpfte. Zudem langweilte er sich auf Barbentane, so fern seinem Meister Sanche und der Apotheke. Ich an seiner Stelle hätte freilich den Blicken der Kammermädchen im Schloß Antwort getan, deren einige gewinnend waren, von Natur zugänglich schienen und Augen nur für seine bezaubernde Schönheit hatten. Doch sie hätten ihre Gewogenheit auch einem Bildnis in einem Buche schenken können: als wären die Ärmsten durchsichtig, sah mein Samson sie einfach nicht. Sowenig wie er Angelina sah, was meine Freundin ein bißchen kränkte, war sie doch seitens der Männer mehr Beachtung gewohnt.
    »Aber Pierre«, fragte sie mich eines Tages, »woher kommt diese große Kälte, die Samson dem schönen Geschlecht bezeigt? Als wäre ich ein Besen oder eine Hexe! Gehört er zu jenen Unseligen, von denen es heißt, daß sie Frauen nicht mögen?«
    »Mitnichten, er liebt deren eine. Der Rest zählt nicht.«
    »Ist sie so schön?« fragte Angelina mit einem Anflug von Koketterie im Blick.
    »Das ist sie, doch nicht so schön wie eine andere, die ich zu nennen wüßte.«
    Da nun senkte Angelina ihre schönen Augen, erhob sich (weil mein Bericht für diesen Tag zu Ende), wünschte mir einen guten Abend und verließ mein Zimmer.
    Mein Samson war unterdessen nicht ganz untätig: er mühte sich mit einem Brief an Dame Gertrude du Luc. Blut und Wasser schwitzend beim Schustern etlicher Sätze, legte er sie mir am Morgen zum Korrigieren vor und war mir gram, daß ich mich rundweg geweigert hatte, seine Briefe zu schreiben. Ichhatte ihm freilich den Grund verschwiegen: das Techtelmechtel der Verräterin mit Cossolat, zumal ich auch selbst meine Tugend hatte bepanzern müssen, um ihren Liebkosungen zu widerstehen – ein mir gar ärgerliches Ungemach.
    Gleiches widerfuhr mir auf Barbentane, wo die besagten Kammermädchen, von meinem Bruder abgewiesen, sich gern an mir schadlos gehalten hätten. Doch obwohl mir mit den wiedererstarkenden Kräften großer Appetit auf alles Lebendige kam, wappnete ich mich bestmöglich und wehrte die Angriffe ab. Denn ich muß es endlich sagen: in der Stille meiner Nächte und den Träumen meiner Tage war ich gänzlich Angelina hingegeben und hatte die Gewißheit gewonnen, daß ich, wie lange ich auch suchen mochte, auf der weiten Welt kein Weib fände, das in einem so viel Herz und Schönheit barg. Ich ließ sie von diesem Feuer nichts merken, weil ich nicht wußte, ob sie meine Gefühle erwidern würde, die bereits so stark waren, daß ich schon bei dem Gedanken litt, sie verlassen zu müssen. Sowenig ich sicher war, sie eines Tages gewinnen zu können, sowenig wollte ich Gefahr laufen, sie gleich hier zu verlieren. Gewiß hätte ich, ohne meine Liebe zu beschädigen, meinen Hunger stillen können, indem ich wie der Vicomte de Joyeuse »einen Kanten Brot hinter der Böschung verzehrte«. Doch Angelina hätte es nicht gern hingenommen. Obwohl zwei Jahre älter als ich, war sie zu naiv, um zu unterscheiden zwischen Liebe einerseits und den Nöten unserer Sinnlichkeit, denen ich gewohnt war nachzugeben.
    Von Madame de Joyeuse erhielt ich zwei Briefe. Der eine, zwanzig Tage nach meiner Verwundung, forderte mich auf, nach Montpellier zurückzukehren, der Bericht des Bischofs an den Vicomte habe die Meinung sehr zu meinen Gunsten gewendet.
    Der zweite, vierzehn Tage später, sang ein ganz anderes Lied.
     
    Mein kleiner Vetter,
    ach, armer König! armes Königreich! Wieviel Unheil müssen wir erleben! Ich bin gewiß, daran zu sterben oder den letzten Rest Schönheit zu verlieren! Das üble Hugenottenpack (Eure Parteigänger, leider, mein lieber Schatz) hat Montpellier erobert. Der Vicomte mußte mit einer Handvoll Männer in die Festung Saint-Pierre flüchten und hat sein Weib, seine Kinder und sein silbernes Tafelgeschirr mitgenommen. Doch die Berserkermachten Anstalten, uns zu belagern, und der Vicomte ist während der Nacht durch eine Geheimtür entwischt. Draußen scharte er einige Truppen um sich und trat in Verhandlung mit den Rebellen, damit wir die Festung verlassen könnten, ich, seine Kinder und sein Tafelgeschirr. Dank unserem guten Cossolat, der ja ein bißchen beiden Lagern angehört, ist die
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