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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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Bitte auch über die Wunde goß, was beileibe nicht angenehm war; beim Verbinden sollte ihm Samson helfen, dem dies freilich mehr schlecht als recht gelang, weil ihn bei meinem Anblick die Tränen blind machten. Ich erinnere mich kaum, wie es mir gelang, das Pferd zu besteigen und Schloß Barbentane zu erreichen. Sobald ich im Bett lag, schickte Monsieur de Montcalm einen Arzt, den ich abwies, weil dieser Ignoramus mich zur Ader lassen wollte, als hätte ich nicht schon genug Blut verloren! Zudem wollte er mich purgieren, als gälte es, um den Arm zu heilen, meine Innereien zu leeren! Als ich aber erfuhr, daß es in Beaucaire einen Barbier und Chirurgen gab, der sein Handwerk noch bei Ambroise Paré gelernt hatte, bat ich Monsieur de Montcalm, ihn holen zu lassen. Der Barbier tat dann wahrhaftig gute Arbeit, säuberte nur eben die Wunde mit Weingeist, erneuerte den Verband und verabreichte mir zur Linderung der Schmerzen ein bißchen Opium.
    Der Kampf hatte uns drei Tote gekostet: Antonio, einen der Mönche und einen Knecht, der die Pferde hatte bewachen sollen und den ein flüchtender Schurke überwältigte. Der Kerl entwischte auf einem Pferd der Mönche, hatte mit dem Tier aber schlechte Wahl getroffen: Miroul auf seinem Araber holte ihn in weniger als einer Stunde ein und streckte ihn mit einem Pistolenschuß nieder. Auch Verletzte gab es genug: außer Miroul und meinem lieben Samson waren wir alle irgendwo lädiert, am schlimmsten hatte es mich getroffen.
    Monsieur de Montcalm besuchte mich jeden Morgen in meinem Zimmer und sagte mir jedesmal Dank, weil ich ihn, seine Frau und seine Tochter gerettet und letztere nicht nur vor dem Tod, sondern auch vor Schändung bewahrt hatte. Er war von Statur hochgewachsen, machte eine imposante Figur und hatte obendrein ein gutes Herz, obwohl er in seinem Urteil etwas eng war und auch ein ziemlich eifriger Papist, wie ich an manchem seiner Worte merkte, die mich vermuten ließen, daß er michmehr ins Herz geschlossen hätte, wenn ich nur seiner Auffassung gewesen. Ich konnte mir jedenfalls denken, was die Hugenotten von Nîmes gegen ihn aufgebracht hatte.
    Monsieur de Montcalm war ganz vernarrt in seine Tochter, das einzig ihm verbliebene Kind, doch gab es oft Hader zwischen ihnen, weil beide schnell aufbrausten. Und im Streit waren sie bockig wie Hammel. Die Streitereien waren wohl ihre besondere Art, einander ihre Zuneigung zu bekunden, die sie anders nicht kundzutun wagten. Auch Madame de Montcalm, die zumindest in Worten ihres Mannes Partei ergriff, war eine brave Person; doch da sie keine sehr glückliche Jugend gehabt, lebte sie desto begieriger die ihrer Tochter mit, teilte ihr Glück und war gleichzeitig argwöhnisch auf der Hut. So wechselte ihre Haltung sehr oft: bald diente sie Angelinas Plänen, bald handelte sie ihnen zuwider.
    Monsieur de Montcalm besuchte mich gegen zehn Uhr, Madame de Montcalm kam zu Mittag und Angelina am Nachmittag, weshalb mir der Morgen lang dünkte und ich ihn mit Schlafen zu verkürzen suchte. Aber je mehr ich wieder zu Kräften kam, um so öfter wich der Schlaf Träumen, die ich mir in der Zeit des langen Wartens zurechtspann.
    Ich war hingerissen von Angelinas sanften Augen, die nichts vorspielten wie bei so manch anderem Mädchen, sondern von Natur ihr innerstes Wesen spiegelten: das eines Engels, denn jeden und alles betrachtete sie mit selbiger Anmut, war lautere Güte und edelstes Mitempfinden, konnte sich über jeden Schmerz und Schaden eines anderen bekümmern, gar über den Tod einer Maus oder eines Sperlings. Voll guten Willens begegnete sie ihrem Nächsten, mochte der selbst ein Sauertopf sein, beklagte auch jene, die ihr übelwollten, verzieh eine Kränkung im selben Moment, da sie ihr angetan wurde. Die mandelförmigen großen Augen wirkten in ihrer auffälligen Schwärze sehr orientalisch, als hätte es unter den Vorfahren der Montcalms auch Juden oder Mauren gegeben; die Nase war ein bißchen markant, indes ohne das schöne Antlitz zu verschandeln, der Teint eher hell, das Haar gelockt und von venezianischem Rot.
    Mein geräumiges helles Zimmer befand sich am Ende eines langen Ganges, auf dem ich meine Besucher nahen hörte, und es war mir ein besonderer Spaß, sie an ihren Schritten zu erkennen,ein Spiel, bei dem ich mich manchmal täuschte, nie allerdings in der Person Angelinas. Denn Angelina, groß im Wuchs, gehörte zu den von Natur langsameren, phlegmatischeren Frauenzimmern (sofern sie nicht in Zorn geriet), sie
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