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In seinem Bann

In seinem Bann

Titel: In seinem Bann
Autoren: Anaïs Goutier
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mit wallendem Haar und sinnlichen Kurven wanden sich lasziv in ihren Ketten und Fesseln oder boten in Erwartung einer erotischen Züchtigung ihren entblößten wie bestrapsten Hintern dar. Daneben thronte der peitschenschwingende Gentleman-Marquis persönlich.
    Während ich die Bilder auf das Publikum wirken ließ, huschte mein Blick durch den Saal, um selbstverständlich bei Ian Reed hängenzubleiben.
    Er hatte sein schönes Gesicht auf seinen Daumen gestützt, während sein Zeigefinger an seiner Wange ruhte und der lange Mittelfinger quer zu seinem Kinn lag. Es war die klassische, selbstversunkene Geste des Melancholikers, doch zugleich ähnelte sie frappierend der Pose des Marquis in Trouilles Bild.
    Und dann trafen sich unsere Blicke. Es waren nur dieses typische feine Lächeln, das um seine Mundwinkel spielte, und ein kleines Blitzen in seinen Augen, die dafür sorgten, dass mir umgehend die Röte in die Wangen schoss.
    Ich beendete meine Ausführungen mit Meret Oppenheims ironischem Beitrag zum Thema, ihrem surrealistischen Objekt Ma Gouvernante . Es handelte sich dabei um ein silbernes Tablett mit zwei weißen gefesselten Stöckelschuhen darauf, die so arrangiert waren, dass ihr Anblick an ein halbes Hähnchen erinnerte.
    Mein Vortrag erhielt viel Beifall, aber zum Glück fiel die angeschlossene Plenumsdiskussion kurz aus und mit einem Hinweis der Organisatorinnen auf den Referenten und das Thema der nächsten Veranstaltung, wurde die Vorlesung beendet.
    Ich fuhr mein Notebook herunter und schob die Mappe mit meinem Skript in die Tasche, als Ian auch schon vor mir stand.
    »Ein ausgesprochen beeindruckender Vortrag, Frau Doktor«, sagte er mit einem leicht spöttischen Lächeln auf den Lippen.
    Ohne auf die noch anwesenden Leute zu achten, zog er meine Hand an seine Lippen und hauchte einen Kuss darauf. Dabei brannte sich der Blick seiner phänomenalen graublauen Augen in meinen, als wolle er buchstäblich bis in meine Seele blicken.
    Das Gleiche hatte er auch an jenem Abend getan und obwohl ich spürte, wie mein Herz auch dieses Mal zu rasen begann, entzog ich ihm meine Hand.
    »Was führt dich Weltreisenden nach so kurzer Zeit schon wieder nach Frankfurt?« fragte ich kühl.
    »Ich bin nur deinetwegen hier, Ann-Sophie«, erklärte er schlicht.
    Ich konnte mir den Anflug eines glücklichen Lächelns nicht gänzlich verkneifen. Inzwischen waren wir allein im Raum.
    »Meinetwegen oder wegen des Vortragsthemas?«
    Er grinste jungenhaft.
    »Ich wäre auch gekommen, wenn du über die Bedeutung des Fisch-Stilllebens für die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts referiert hättest.«
    Ich musste unweigerlich grinsen, versuchte es aber zu kaschieren, indem ich meinen Autoschlüssel aus dem Vorfach meiner Tasche fischte.
    »Das klingt wirklich sehr schmeichelhaft, Ian. Aber das genügt bei weitem nicht.«
    Er sah mich fragend an. »Du bist wütend auf mich?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Das war ich, zwischendurch. Ich war gekränkt, zornig, unglücklich, verletzt. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst.«
    Ich griff nach meinem Mantel, doch Ian war schneller und hielt ihn mir hin, um mir hineinzuhelfen.
    »Danke.« Ich wandte mich zum Gehen.
    »Ich bin von St. Petersburg nach Frankfurt geflogen, ohne hier einen Termin zu haben. Nur um dich zu sehen, Ann-Sophie.«
    Es klang nicht anklagend, erst recht nicht flehend. Es war eine klare, nüchterne Feststellung und sie hörte sich aufrichtig an.
    Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn an.
    »Warum bist du hier, Ian? Was hast du dir davon erhofft?«
    In einer ehrlichen, resignierten Geste zuckte er mit den Achseln.
    »Ich hatte Sehnsucht nach dir, Ann-Sophie. Nach deiner Gesellschaft, nach der geistreichen Konversation mit dir, nach deinem göttlichen Körper.«
    »Tut mir leid, Ian. Ich kann das nicht noch einmal. Ich habe feststellen müssen, dass ich dafür nicht geschaffen bin. Der Preis für diese Nacht mit dir war mir zu hoch.«
    Er wirkte irritiert, fast hilflos, ganz so, als hätte er bislang tatsächlich keinen Gedanken daran verschwendet, dass ich ihn abweisen könnte.
    »Das war gerade ein Korb, oder?«
    Ich nickte leicht. »Ich denke, ja.«
    Er zog die Luft zwischen den Zähnen ein und legte seine ebenmäßige Stirn in Falten.
    »Autsch. Du bist die erste Frau, die das wagt, Ann-Sophie Lauenstein.« Diesmal missglückte ihm die drohende Intonation, er klang noch immer eher verunsichert.
    »Nun, einmal ist immer das erste Mal, Ian.«
    Er lächelte
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