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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis
Autoren: Cay Rademacher
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Vierlingspforte« nannten mich die anderen Novizen später häufig
     oder, zumindest die älteren und stärkeren, »Ranulf vom
     Abtritt«. Oft ging ich dann, der HERR vergebe meine Sünden, mit
     den Fäusten auf die anderen Jungen los und büßte dafür
     in einer dunklen Klosterzelle bei Wasser und Brot.
    Jahre sollte es dauern, bis
     ich erkannte, dass die Schmach eine Probe GOTTES ist, auf dass wir nicht
     der Todsünde des Hochmuts erliegen.
    Die Dominikaner zu Köln
     hatten mich aufgenommen, bei ihnen blieb ich meine ganze Jugend lang.
     Manchmal träumte ich davon, dass meine Eltern zurückkehren und
     sich zu erkennen geben würden. Dass sie hoher, gar königlicher
     Geburt seien und sie nur ein dunkles Schicksal auf Jahre davon abgehalten
     habe, mich als. ihren Sohn anzuerkennen. Ich hoffte, dass sie mich
     hinausholen würden in die Welt, dass ich eine Familie hätte,
     dass ich ein Ritter, ja ein Retter des Reiches sein würde, dass ich
     gar, wer weiß, als Thronerbe Anspruch hätte auf den Titel
     Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Welch nichtige, anmaßende
     Hoffnung!
    Niemals klopfte irgendjemand
     an die Klosterpforte, um nach mir, um nach irgendeinem der Findelkinder im
     Kloster zu fragen. So wurde ich einer von vielen pueri oblati im Dominikanerkloster zu Köln,
     das sehr groß und überaus angesehen war und wo deshalb viele
     Waisenkinder abgegeben wurden. Dort lernte ich die disciplina kennen, die
     mönchische Zucht.    
    Wenn sich jemand in reiferen
     Jahren entschließt, ins Kloster zu gehen, wie schwer mögen ihn
     da die kargen Umstände ankommen, unter denen man hinter den
     schweigenden Mauern Jahr um Jahr verbringt?        
    Doch ich kannte weder Samt
     noch Seide, nicht einmal Leder oder Tuch, ich hatte nichts anderes als die
     kratzige Wolle des groben dunklen Skapuliers auf der Haut, darunter nur in
     bitteren Wintern eine nicht weniger grobe Tunika und am Fuß lederne
     Sandalen. Ich wusste nicht, dass man in weicheren Betten ruhen konnte als
     auf dem Strohlager. Ich wusste nicht, dass sich andernorts Menschen zum
     Schlafen in eigene Räume zurückziehen konnten — ich kannte
     nur das Dormitorium, wo ich zusammen mit Dutzenden Mitbrüdern lag und
     wo beständig Seufzer und Schnarchen, hin und wieder auch heimliches
     Geflüster und wohl auch unflätigere Geräusche durch den
     dunklen Schlafraum waberten wie Geister in einer Höhle. Ich wusste
     nicht, oder ich dachte zumindest nie darüber nach, dass die meisten
     Menschen, vom Kaiser bis zum Bettler, sich abends auf ein Lager werfen,
     das sie erst am nächsten Morgen wieder verlassen — mir war es
     ins Blut übergegangen, mich zusammen mit allen Mitbrüdern um
     Mitternacht zu erheben, durchs nachtkalte Kloster bis in die Kirche zu
     wanken, um dort in die Vigilien einzustimmen, das erste Gebet des Tages:
     Singet dem HERRN ein neues Lied; singet dem HERRN alle Welt! Ich lernte,
     dass der Körper zwar das Gefäß meiner unsterblichen Seele,
     aber auch deren größter Verführer ist. Der Todsünde
     der Völlerei entgingen wir, indem wir kaum mehr als Hirsebrei und
     Fladen, als Wasser und gelegentlich schales Bier zu uns nahmen. Und als
     ich in das Alter eintrat, da den Mann die Fleischeslust ankommt, da
     wappnete ich mich, indem ich Nächte lang auf dem kalten Kirchenboden
     ausgestreckt vor dem Bild Unserer Heiligen Mutter betete. Ich schämte
     mich meiner sündigen Gedanken, die mich heimsuchten, obwohl es kaum
     je möglich war, auch nur einen Blick auf eine Frau zu werfen. Selten
     waren die Augenblicke, da ich einmal die Haube einer Magd sah, die
     irgendetwas vom Markt brachte, oder den Schleier einer der vornehmen Kölnerinnen,
     die einen ihrer Söhne zur Schule ins Kloster gab. Da mich jedoch
     selbst solche zufälligen, nie mehr als einen Augenblick währenden
     Offenbarungen des Weiblichen zutiefst in Verwirrung stürzten, wusste
     ich bald um die Gefahr der Frau für mein Seelenheil. Schnell lernte
     ich, die Töchter Evas zu verachten und zu fürchten als wahre
     Helferinnen Satans. Nescitis
     quoniam corpora vestra membra Christi sunt tollens ergo membra Christi
     faciam membra meretricis absit. An nescitis quoniam qui adheret meretrici
     unum corpus efficitur erunt enim inquit duo in carne una. Im Alter von vierzehn Jahren wurde
     ich Novize. Im Jahr darauf legte ich die Profess ab. Der Eid band mich
     endgültig, wie ich dachte, ans Kloster. Ich verpflichtete mich den
     drei
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