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In Gottes Namen. Amen!

In Gottes Namen. Amen!

Titel: In Gottes Namen. Amen!
Autoren: Simon Rich
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machen, das die Menschen als übernatürlich wahrnehmen würden.«
    »Das heißt, die lustigen Sachen dürfen wir alle nicht?«
    Craig grinste. »Ach, da wäre ich mir nicht so sicher.«
    Erde
    Oscar Friedman schlug den Boston Herald auf und hielt ihn sich wie einen Schild vor sein Gesicht. Er musste nur noch drei Stationen durchhalten, ohne gesehen zu werden. Noch fünf Minuten, dann würde er zu Hause sein.
    »Bist du sicher, dass es dein alter Mitbewohner ist?«, flüsterte seine Frau.
    Oscar nickte. Er war es ganz bestimmt, saß ihnen in der Red Line Richtung Innenstadt gegenüber. Und er hatte den Namen des Mannes total vergessen.
    »Ich weiß, dass er mit R anfängt«, nuschelte Oscar.
    »Vielleicht Rick? Richard?«
    Oscar schüttelte den Kopf und bat seine Frau hektisch gestikulierend um weitere Vorschläge.
    »Ronny? Reginald?«
    Oscar kniff die Augen zu. »Ich hab’s gleich«, sagte er. »Mir liegt’s auf der Zunge.«
    »Ross? Red?«
    Zu spät. Der Mitbewohner hatte bereits Blickkontakt aufgenommen und kam schwankend und fröhlich auf sie zu. Er umschiffte eine Haltestange und packte Oscar mit beiden Händen am Ellbogen.
    »Oscar, wir haben uns ja ewig nicht gesehen! Ich hab dich beim Klassentreffen vermisst.«
    Oscar warf seiner Frau einen entsetzten Blick zu, woraufhin sie schnell ihre Hand ausstreckte.
    »Ich bin Florence«, stellte sie sich vor.
    Der Mitbewohner ignorierte sie und verschränkte spielerisch die Arme.
    »Was ist los, Oscar? Willst du mich deiner bezaubernden Frau nicht vorstellen?«
    Oscar wollte gerade die Wahrheit gestehen, als die Lichter ausgingen. Der Blackout dauerte vierzig Sekunden, lange genug, um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Als die Lichter wieder angingen und der Fahrer aufgehört hatte, in die Lautsprecher zu bellen, strahlte der alte Mann vor Erleichterung.
    »Schatz«, sagte er, »das ist Roland!«
    »Wir können das Leben der Menschen nur indirekt beeinflussen«, erklärte Craig. »Durch die diskrete Verwendung von Naturphänomenen. Wir können Stromausfälle verursachen, es hageln oder blitzen lassen. Wir können Ebbe und Flut beeinflussen und jemanden zum Niesen bringen. Wir dürfen nur nichts machen, wodurch die Menschen mitbekommen, dass es uns gibt.«
    »Kam’s schon mal vor, dass es einer vermasselt hat?«, fragte Eliza. »Du weißt schon, dass ein Engel zu weit gegangen ist?«
    Craig dachte darüber nach. Engel wurden selten für ihre Wunder bestraft. Aber ihm fielen ein oder zwei Fälle ein, in denen jemand definitiv zu weit gegangen war, zu dick aufgetragen und am Ende seinen Job verloren hatte.
    »Wegen Wilt Chamberlain hat’s Ärger gegeben«, sagte er.
    »Wirklich? Was ist passiert?«
    Craig erzählte ihr die Geschichte. Das war 1962 gewesen, und ein Engel hatte gleich in seinem ersten Dienstjahr die Aufgabe bekommen, sich um die Begegnung der New York Knicks mit den Philadelphia Warriors zu kümmern. Der Engel sollte Wilt Chamberlain helfen – Gott war Fan –, aber er ging zu weit. Wilt, der normalerweise fünfzig Prozent aller Freiwürfe verwandelte, hatte an jenem Abend achtundzwanzig von zweiunddreißig Freiwürfen versenkt und am Ende exakt einhundert Punkte erzielt. Das war eines der schludrigsten Wunder der Sportgeschichte. Die Punktezahl war nicht nur zu hoch, sondern auch bizarr rund.
    »Wenn Wilt siebenundneunzig Punkte gemacht hätte«, erklärte Craig. »Oder hundertdrei. Das wäre ja noch okay gewesen. Aber genau hundert? Das war zu auffällig. Der Engel wurde strafversetzt.«
    »Das ist ja schrecklich.«
    Craig nickte. »Besser man bleibt unter dem Radar. Du darfst so viele Wunder machen, wie du willst, du musst nur dezent vorgehen.«
    »Was ist mit Gott? Darf er mit seinen Wundern gegen die Gesetze verstoßen?«
    »Oh, Gott macht keine Wunder.«
    »Nein?«
    »Nein. Das ist doch viel zu technisch. Er ist eher ein Mann der Ideen, weißt du? Von Anfang an hat er Leute angestellt, die sich für ihn ums Praktische kümmern. Ich glaube nicht, dass er je an den alltäglichen Aktivitäten des Unternehmens beteiligt war.«
    »Interessiert ihn denn nicht, wie’s so läuft?«
    »Oh, und wie!«, sagte Craig. »Heute Morgen bin ich zu ihm ins Büro, und da hat er sich gerade ganz aktuell über Venezuela informiert.«
    Eliza drehte sich abrupt um. »Du warst bei ihm im Büro? Warum?«
    Craig schluckte, erst jetzt fielen ihm ihre strahlend blauen Augen auf.
    »Ach, weißt du«, sagte er, »wir äh … haben ein recht enges
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