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In Gottes Namen. Amen!

In Gottes Namen. Amen!

Titel: In Gottes Namen. Amen!
Autoren: Simon Rich
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Verhältnis.«
    Craig führte Eliza wieder zurück an seinen Computer und zeigte ihr einige seiner jüngsten Wunder. Bei einem Technikwettbewerb lächelte ein Siebtklässler erleichtert, als sein wackliger Tonvulkan doch noch ausbrach. Ein LKW -Fahrer bog rechts auf eine Nebenstrecke ab, um einem umgestürzten Baum auszuweichen – und entdeckte zufällig einen liegengebliebenen Autofahrer.
    »Wir stellen Zufälle her«, erklärte Craig. »Die Menschen nehmen sie nicht als Wunder wahr – aber in Wirklichkeit sind es welche.«
    Eliza strahlte ihn an. »Dann stimmt es also«, sagte sie. »Es gibt gar keine Zufälle – alles, was passiert, hat einen Grund!«
    Craig zögerte, er wollte ihr nicht die Illusionen rauben.
    »Genau genommen«, räumte er ein, »also ehrlich gesagt … neunundneunzig Prozent dessen, was den Menschen widerfährt, ist einfach bloß willkürlich und sinnlos.«
    »Oh.«
    Er fürchtete, sie verschreckt zu haben, doch ihr Lächeln kehrte rasch zurück.
    »Aber das eine Prozent? Das sind dann die Wunder, oder?«
    Craig nickte.
    »Na ja, hey!«, sagte sie. »Das ist doch immerhin etwas!«
    Craig freute sich riesig, als er feststellte, dass Eliza die Kabine neben seiner zugewiesen bekommen hatte. In Hinblick auf ihre Produktivität konnte es nur von Vorteil sein, wenn ein erfahrener Mitarbeiter ein Auge auf sie hatte.
    Eliza stellte ihre Tasche auf ihren neuen Schreibtisch, dann stieg sie auf ihren Stuhl, um sich umzusehen. Sie hielt sich an Craigs Arm fest, und schüchtern blieb er stocksteif stehen.
    »Woran wird nebenan gearbeitet?«, fragte sie.
    Craig spähte über die Kabinenwand. Drei erschöpfte Engel scharten sich um einen einzigen Computer und gaben hektisch Zahlenkombinationen ein.
    »Oh, die sind für Lynyrd Skynyrd zuständig«, sagte Craig. »Besonderer Befehl von ganz oben.«
    Auf dem Bildschirm begegneten sich zwei ursprüngliche Mitglieder von Lynyrd Skynyrd »zufällig« an einer Raststätte.
    » Hey, wer hätte gedacht, dass unsere Karren beide auf derselben Strecke den Geist aufgeben?«
    »Echt irre.«
    »Vielleicht sollten wir mal wieder zusammen jammen?«
    Die drei Engel seufzten erleichtert. Einer von ihnen zog eine Aktenschublade auf, nahm eine Flasche Bourbon heraus und trank.
    Eliza kletterte wieder von ihrem Stuhl.
    »Sind die Wunder vorgegeben?«, fragte sie. Enttäuschung schwang in ihrer Stimme mit.
    »Eigentlich können wir größtenteils machen, was wir wollen!«, sagte Craig. »Das ist das Tolle an der Arbeit hier in der Abteilung. Wir stehen in der Hierarchie so weit unten, dass uns keiner so richtig auf die Finger schaut.«
    Elizas Computer fing an zu piepen, und sie zuckte erschrocken zusammen.
    »Keine Angst«, sagte Craig, »das ist nur ein Potentielles Wunder.«
    Sie blickte auf ihren Bildschirm; ein hungriger chinesischer Teenager trat frustriert gegen einen Snackautomaten und versuchte, den verhakten Schokoriegel, den er gerade gekauft hatte, aus der Halterung zu lösen.
    »Wieso ist jetzt ausgerechnet dieser Fall hier aufgetaucht?«, fragte Eliza.
    »Oh, das ist beliebig. Dank unserer Algorithmen sehen wir Millionen PW s pro Sekunde voraus. Die können wir gar nicht alle bearbeiten, und deshalb schickt uns der Computer immer nur eins nach dem anderen.«
    Eliza sah zu, wie sich der chinesische Teenager auf sein Fahrrad schwang und schlecht gelaunt davonradelte.
    »Oh nein«, sagte sie. »Ich hab’s versiebt.«
    Craig lachte. »Keine Sorge. Du wirst noch mehr als genug Gelegenheiten bekommen. Klick auf Refresh.«
    Sie berührte ihre Maus, und auf ihrem Bildschirm wurde die Erde sichtbar, eine leuchtend blaue Kugel, glänzend wie Christbaumschmuck.
    »Viel Glück«, sagte er. »Das ist alles für dich.«
    Eliza drehte sich auf ihrem Schreibtischstuhl um, staunte über die Größe ihres neuen Büros. Als sie noch in der Gebetsannahme beschäftigt war, musste sie ihre Vorgesetzten um einen eigenen Tisch anbetteln, und als sie endlich einen bekam, stand er im Gang neben den Toiletten. Das war ein schrecklicher Arbeitsplatz gewesen: laut, stinkend, einsam. Zum Glück hatte sie meistens viel zu viel zu tun gehabt, um es überhaupt zu merken.
    Als Eliza bei der Gebetsannahme angefangen hatte, war die komplette Abteilung ein einziger Saustall gewesen. Die Gebete kamen per Fax rein – in der Regel um die 500 Millionen täglich –, und sie wurden alle in denselben riesigen Lagerraum verfrachtet. Jeden Abend stopfte jemand wahllos Gebete in einen Sack und schickte sie
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