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In Gottes Namen. Amen!

In Gottes Namen. Amen!

Titel: In Gottes Namen. Amen!
Autoren: Simon Rich
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Schritte gerade umlenken, als ein Klopfen seinen Gedankenfluss unterbrach.
    »Craig?«
    Eine hochaufgeschossene junge Frau mit viel zu großen Brillengläsern spähte in seine Kabine.
    »Entschuldige die Störung«, sagte sie und streckte ihm ihre Hand hin. »Ich bin Eliza.«
    »Oh nein ! Ich hab ganz vergessen, dass du kommst. Wartest du schon lange?«
    »Seit neun Uhr«, sagte sie und grinste breit, um ihren Ärger zu überspielen.
    »Tut mir so leid. Wie kann ich das wiedergutmachen?«
    »Na ja, ein Rundgang wäre toll. Wenn du nicht zu beschäftigt bist.«
    Craig schaute auf seinen Computerbildschirm. Der Tourist hatte am Roulettetisch Platz genommen und setzte nun eine Riesensumme auf Schwarz. Zu spät, um noch was zu unternehmen.
    »Kein Problem«, sagte Craig. »Mir nach!«
    Eliza war gerade erst in die Abteilung für Wunder befördert worden, vorher hatte sie drei lange Jahre als Unterengel in der Gebetsannahme geschuftet. Craig hatte sich bereit erklärt, ihr die neue Abteilung zu zeigen, doch sein kleiner Ausflug in die Chefetage hatte ihn viel Zeit gekostet. Eliza hatte ihren ersten Vormittag als Engel im Pausenraum verbracht und, in der Hoffnung auf eine Erklärung, immer wieder ihren Blackberry aus der Tasche gezogen. Sie war sauer, weil Craig sie so lange hatte warten lassen, doch jetzt fand sie den Rundgang so spannend, dass ihre Wut rasch verflog.
    Neugierig blickte sie nach rechts und links. Wohin sie auch sah, suchten Engel die Erde ab, gaben Codes ein und veränderten die Welt mit ein bisschen Fingertippen. Es war genauso wunderbar, wie sie es sich vorgestellt hatte.
    »Scheiße!«, schrie jemand.
    Eliza spähte in die Kabine. Ein älterer, ansatzweise bereits kahler Engel hatte seinen Kaffee verschüttet, und die schmutzig braune Flüssigkeit sickerte in seine Tastatur. Wahllos zog er ein paar Blätter aus seinem Eingangsfach und wischte die Sauerei auf.
    »Jedes Mal«, nuschelte er. »Verdammte Scheiße, jedes Mal.«
    »Wer ist das?«, flüsterte Eliza.
    »Das ist Brian«, erklärte ihr Craig. »Er macht gerade eine schwere Zeit durch.«
    »Arbeitet ihr zusammen?«
    »Nein, wir gehören verschiedenen Unterabteilungen an. Ich bin für Allgemeines Wohlbefinden zuständig, er arbeitet für Körperliche Unversehrtheit.«
    »Dann verhindert er also Unfälle?«
    »Na ja … er versucht es.«
    Eliza warf einen weiteren Blick in Brians Kabine. Sein Computerbildschirm war in sechzehn Fenster unterteilt, in jedem war eine andere Potentielle Verletzung zu sehen. Die Verletzungen reichten in ihrer Schwere von geprellten Zehen bis hin zu Verbrennungen ersten Grades, aber alle hatten eines gemeinsam: Sie waren vermeidbar. Eliza sah zu, wie die Opfer auf Brians Bildschirm schimpften und fluchten. Ein paar Menschen richteten ihre Beschimpfungen gen Himmel, als wüssten sie, dass Brian für ihre Schmerzen verantwortlich war.
    »Gottverdammt«, sagte eine alte Frau, die sich gerade den Daumen an einer Thunfischdose aufgeschlitzt hatte. » Teufel noch eins. «
    Brian schloss die Augen und rieb sich das Gesicht, atmete tief und langsam durch.
    »Wie verhindert er, dass sich jemand verletzt?«, fragte Eliza. »Oder, äh … wie versucht er’s zu verhindern?«
    »Das funktioniert wie bei den anderen Wundern auch«, erklärte Craig. »Einflussnahme durch Engel.«
    Er führte sie zu einem Schrank und reichte ihr ein dickes in Leder gebundenes Buch. Sie blätterte die Seiten durch, musterte die zahlreichen Diagramme.
    »Ich weiß, das wirkt erstmal verwirrend«, meinte Craig verständnisvoll. »Aber nach einer Weile geht es dir in Fleisch und Blut über.«
    Eliza zeigte auf eine ausklappbare Tabelle mit dem Titel Windböen . »Was ist das?«
    »Das ist ganz praktisch, wenn man was bewegen muss. Zum Beispiel, wenn man ein Badehandtuch aus dem Weg räumen will, damit jemand seinen Autoschlüssel wiederfindet.«
    Eliza klappte die Tabelle auf. Sie war vierzig Seiten stark, plus Fußnoten.
    »Wieso können wir dem Betreffenden die Schlüssel nicht einfach in die Tasche stecken?«
    Craig lachte. »Ja, ja, ich weiß. Das wäre leichter. Aber leider dürfen wir nicht gegen die Gesetze verstoßen.«
    »Welche Gesetze?«
    » Gottes Gesetze. Schwerkraft, Thermodynamik, Zeit. Die sind unumstößlich. Wir müssen drumherum arbeiten.«
    »Das heißt, wir können niemanden wiederauferstehen oder fliegen lassen.«
    »Genau. Keine Teleportation, keine Telepathie, kein unerklärliches Verschwinden von Gegenständen. Wir dürfen nichts
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