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In einer Winternacht

In einer Winternacht

Titel: In einer Winternacht
Autoren: Mary Higgins Clark
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unterschrieben.«
»Das nennt man die Beglaubigung«, erklärte Henry. »Nach den Gesetzen des Staates New York müssen die Zeugen diese Seite ausfüllen. Sie bestätigt, daß das Testament in ihrer Gegenwart unterzeichnet wurde. Die Erblasserin, in diesem Fall Mrs. Bessie Durkin Maher, muß ebenfalls unterschreiben. Ohne dieses Dokument müßten die Zeugen am Tag der Testamentseröffnung vor Gericht erscheinen. Und bei schon vor langer Zeit abgefaßten Testamenten sind die Zeugen häufig verzogen oder verstorben.«
»Dann sehen Sie sich das an«, befahl Alvirah und hielt zwei Blätter Papier hoch. »Bessies Unterschrift auf dem Testament und diesem Ding, der Beglaubigung. Schauen Sie. Die Tinte ist unterschiedlich. Aber die beiden Unterschriften sind doch gleichzeitig geleistet worden, oder etwa nicht?«
Henry Brown musterte die beiden Unterschriften. »Das sind eindeutig zwei verschiedene Blautöne«, stellte er fest. »Aber vielleicht dachte Ihre Freundin Bessie, daß ihre erste Unterschrift, die allerdings gut leserlich ist, in zu blasser Tinte geschrieben wurde, und hat einen anderen Stift genommen. Daran ist nichts Ungesetzliches. Die Zeugen haben denselben Stift benutzt.«
»Die eine Unterschrift von Bessie ist ganz gerade, die andere zittrig. Kann es sein, daß sie die beiden Dokumente zu verschiedenen Zeitpunkten unterschrieben hat?« fragte Alvirah.
»Aber das wäre doch nicht legal!«
»Da bin ich ganz Ihrer Ansicht!«
»Nun, wenn Sie fertig sind, Mrs. Meehan…« Henry beendete den Satz nicht.
Alvirah lächelte ihn an. »Nein, ich fürchte, das bin ich noch lange nicht. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin, weil Sie mir soviel Zeit geopfert haben. Und ich bin sicher, daß Sie einen Justizirrtum unter allen Umständen vermeiden wollen.«
Henry schmunzelte höflich. Wenn Leute enterbt werden, schreien sie immer gleich Justizirrtum, dachte er.
»Hören Sie, Henry«, fuhr Alvirah fort. »Ich darf Sie doch Henry nennen, oder? Sagen Sie einfach Alvirah zu mir.« Ohne abzuwarten, ob Henry mit diesem Freundschaftsangebot einverstanden war, sprach sie weiter: »Bessie hat geschworen, daß es sich bei dem vorhergehenden Testament um ihr letztes handelte. Und ich bin überzeugt, daß das hier eine Fälschung ist. Woher soll Bessie außerdem gewußt haben, wie man eine Beglaubigung formuliert? Können Sie mir das verraten?«
»Vielleicht hat sie jemanden gebeten, sie für sie zu schreiben. Oder jemand hat ihr ein Exemplar des Formulars gegeben«, erwiderte Henry geduldig. »Aber, Mrs. Meehan, Alvirah, meine ich…«, begann er.
»Schon gut«, unterbrach ihn Alvirah. »Mir ist klar, daß es kein Beweis ist, aber diese Unterschriften sind nicht identisch. Ich würde behaupten, daß Bessie diese Papiere nicht am selben Tag unterzeichnet hat.« Rasch suchte sie ihre Sachen zusammen. »Gut, Henry, ich danke Ihnen«, sagte sie und stürmte hinaus. Offenbar hatte sie noch eine Menge vor.
    Alvirah ging schnurstracks zum Maklerbüro von James und Eileen Gordon. Sie hatte einen Termin, um eine Eigentumswohnung am Central Park West zu besichtigen, laut Eileen Gordon »ein Schnäppchen für nur zwei Millionen Dollar«.
    Alvirah täuschte Interesse an der Wohnung vor. Nachdem Eileen wieder einmal überschwenglich die schöne Aussicht gelobt hatte – die allerdings etwas eingeschränkt war, da sich die Wohnung im ersten Stock befand und hohe Bäume vor den Fenstern wuchsen –, gelang es Alvirah endlich, Bessies Testament zur Sprache zu bringen.
    »Ach ja, die liebe alte Dame hat beide Papiere unterschrieben«, sagte Eileen. Sie riß ihre Kulleraugen auf und lächelte wehmütig, als sie sich erinnerte. »Da bin ich mir ganz sicher. Natürlich wurde sie rasch müde, und deshalb ist die zweite Unterschrift wohl ein wenig wackelig geraten. Ich habe nicht bemerkt, daß sie den Stift gewechselt hat. Vielleicht habe ich mich gerade im Zimmer umgesehen. Das Haus ist ja in einem ausgezeichneten Zustand. Ein paar Kleinigkeiten, wie beispielsweise die Wohnzimmertür, müßten repariert werden, aber das sind nur Kinkerlitzchen. Angesichts der derzeitigen Immobilienpreise könnte ich das Haus leicht für drei Millionen verkaufen.«
    Diesmal hast du ausnahmsweise recht, dachte Alvirah, als sie enttäuscht das Mikrophon in ihrer Brosche abschaltete.

D
    ieser Lenny Centino ist nicht so dumm wie er aussieht«, sagte der verdeckte Ermittler Roberto Pagano am Mittwochabend zu seinem Vorgesetzten Joe Tracy. Die beiden hatten
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