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In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)

In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Autoren: Caro Ramsay
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aus den Augen verloren und gab auf. Sie lehnte sich zurück und gähnte. Der feuchte Fleck in der Ecke der Zimmerdecke schien sich in Richtung Fenster auszudehnen, um dort vielleicht ein Stück Freiheit zu gewinnen, und wer konnte ihm das schon verübeln? Jeder, der es schaffte, dieses Revier hinter sich zu lassen, schien im gleichen Augenblick in seinem Leben einen riesigen Sprung voran zu vollführen. Gail Irvine war inzwischen glücklich verheiratet und hatte ein rosiges zweijähriges Kind. Burns, der alte Constable und das Urgestein von Partickhill, hatte einen kleinen Hof in Stornoway geerbt, wo er sich jetzt ohne Telefon und Fernsehen des Lebens erfreute. Und ohne Computer.
    Quinn beneidete ihn.
    Und diejenigen, die in Partickhill blieben? Deren Kariere geriet unweigerlich ins Stocken. Partickhill war zu einem Fundbüro verkommen, einem Friedhof für Hoffnungen und Lebensentwürfe.
    Natürlich verwunderte es niemanden, dass DC Vik Mulholland seine Prüfung zum Sergeant mit Leichtigkeit bestanden hatte und sofort von der A-Division in Glasgow zur K-Division in Renfrewshire verlegt worden war – wo er die Drogeneinheit in Paisley verstärkte. Engagement konnte man durchaus verkraften, aber rücksichtsloser Ehrgeiz fraß dich auf wie Krebs. Wenn man dem Gerede glaubte, würde Mulholland noch vor Jahresende den Inspektor machen, um nach Glasgow ins Morddezernat zurückzukehren. Gerade rechtzeitig, damit Quinn in Ruhestand und ihm aus dem Weg gehen konnte. Und DI Colin Anderson, dessen Beförderung zum DCI bevorstand, würde ebenfalls bald versetzt werden. Anderson verbrachte den größten Teil seiner Arbeitszeit sowieso in der benachbarten Partick Central, einem großen, modernen Revier mit Parkplatz, Kantine und ohne feuchte Stellen, keine halbe Meile von Partickhill entfernt gelegen. Aber DI Colin Anderson war eine treue Seele, und er würde ihr nicht auf die Füße treten, solange sie, technisch gesehen, noch sein Boss war. Vik Mulholland war dagegen so ehrgeizig, dass er ihre Leiche vom Stuhl gekippt hätte, ehe das Kissen kalt geworden wäre. Quinn vermisste Anderson, wenn er nicht da war. Er stellte genau die Sorte DI dar, von der ein Chef träumte: solide, verlässlich, respektvoll und respektiert. Ein Mann der stillen Macht. Ohne Zweifel waren seine Qualitäten nicht bei jenen unbemerkt geblieben, die auf einem höheren Ast des Baums saßen, und sie würde ihn nicht ewig hier festhalten können.
    Je höher Anderson jedoch befördert wurde, desto weniger Verständnis für seine Arbeit brachte seine Frau auf. Er wäre nicht der erste Cop, der eine Beförderung ausschlug, weil »die Familie vorgeht«. Colin Anderson stand diese Entscheidung noch bevor, und die konnte ihm niemand abnehmen.
    Durch die Glaswand ihres Büros sah sie Anderson im Ermittlungsraum. Er war neununddreißig, wirkte allerdings jünger, und nur ein Hauch Grau hellte sein blondes Haar auf. Anderson gehörte zu den glücklichen Kerlen, die besser aussahen, wenn sie älter wurden. Er telefonierte und nahm eine Aussage auf, die von großer Bedeutung für die Sicherheit und das Wohlergehen der Bürger von Glasgows West End war, und trotz des Wissens, dass er nur seine Zeit verschwendete, schenkte er dem Gespräch seine volle Aufmerksamkeit.
    Quinn betrachtete die anderen im Ermittlungsraum, ein Sammelsurium von Abgeschriebenen, die es zu nichts bringen würden. Littlewood, der den Anruf eigentlich hätte annehmen müssen, war nirgendwo zu sehen. Vermutlich rauchte er draußen heimlich eine Zigarette. Wie sie selbst absolvierte er die letzten Monate eines langen Arbeitslebens und versuchte, ein Maximum an Pension herauszuholen. Kürzlich hatte man bei ihm eine Angina Pectoris festgestellt, die schlimm genug war, um seine Arbeit lockerer anzugehen, jedoch nicht genügte, um ihn aus medizinischen Gründen in Rente zu schicken. Die Verbitterung darüber trug er wie eine Fackel vor sich her.
    Sie schaute PC Gordon Wyngate zu, wie er ein Blatt Papier sorgfältig faltete und es in Richtung Papierkorb warf. Daneben. Wyngate, der wegen seiner Segelohren nur Windrad genannt wurde, war … eben Wyngate. Nicht der Hellste, aber äußerst hilfsbereit, und gelegentlich wurde er unerwartet von einem Geistesblitz getroffen.
    Quinn richtete sich wieder auf, nahm die Spange aus ihrem roten Haar und drehte es einmal um die Hand, bevor sie es wieder feststeckte. Vielleicht wurde sie langsam paranoid: Schließlich war gerade erst diese Woche die Ermittlungseinheit
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