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In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)

In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Autoren: Caro Ramsay
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abgesehen von dem bösartigen Brummen und dem Klopfen ihres Herzens. Emily drückte aufs Gaspedal.
    Hundertzehn.
    Sie holte nochmals tief Luft und schaute auf den Meilenstand, um abzuschätzen, wie weit es noch war, bis sie die Lichter von Glasgow vor sich sehen würde. Sie wagte es, den Fuß leicht vom Gaspedal zu nehmen, und sofort ging die Nadel zurück. Gleich darauf gab es einen heftigen Rums, und der Wagen bebte und wurde nach vorn geschoben. Emily schrie auf, als ein brennender Schmerz durch ihren Kopf schoss. Wieder wurde sie von Scheinwerfern geblendet, und eine Hupe plärrte ohrenbetäubend. Zitternd schaltete sie runter.
    Die Sicht vor ihr war jetzt klar, die Nebelgespenster lösten sich auf. Sie wagte einen Blick in den Rückspiegel. Dort sah sie die Rammbügel des Geländewagens, die näher kamen, die Silhouette zweier Köpfe, die Zähne des Kühlergrills, die ihre Stoßstange fast erreicht hatten. Der fuhr viel zu dicht auf …
    Und nun hörte sie über das panischen Heulen ihres eigenen Motors hinweg das tiefe beharrliche Knurren des Raubtiers.
    Auf der Jagd.
    Auf der Lauer.
    Sie dachte hektisch nach. Wer auch immer am Steuer in dem Wagen hinter ihr saß, war vermutlich übergeschnappt; er konnte sie jeden Moment von der Straße drängen. Sie zwang sich, die Ruhe zu bewahren und sich zu konzentrieren. Hier oben war ein Pfadfinderheim, wie sie wusste, gleich hinter dem Transformatorenhäuschen, eine Art Freizeitzentrum, wo sie Feuerwerke und Musikabende veranstalteten, wo getanzt wurde und Menschen ins neue Millennium hineinfeierten …
    Sie brauchte nur scharf links in das Tor einzubiegen und die Einfahrt hinaufzufahren. Dort wäre sie in Sicherheit.
    Sie bildete sich ein, sogar von hier schon die Lichter zu sehen.
    In der nächsten Kurve wurde sie langsamer. Ihre Unterarme taten weh. Sie machte sich auf den nächsten Stoß vom Wagen hinter ihr gefasst. Nichts. Erstaunlicherweise schien er verschwunden zu sein.
    Sie atmete durch, stellte das Fernlicht aus, weil ihr ein Wagen entgegenkam, und wurde langsamer, bis sie nur noch etwa siebzig Stundenkilometer fuhr. Eine Woge Spritzwasser traf sie, als der andere Wagen vorbeirauschte.
    Emily fuhr weiter und murmelte: Komm schon, komm schon, während sie im Nebel nach den Hochspannungsmasten Ausschau hielt. Jetzt erkannte sie auf der linken Seite die Lichter der Lapwing Lodge. Rettung war in Sicht. Fünfzig … fünfundvierzig … Der Graben am Stra ßenrand hörte auf, und sie zog scharf nach links und drückte den Fuß nach unten, sobald sie abgebogen war.
    Rums.
    Stille.
    Emily begriff ihren Fehler erst, als das massive abgesperrte Tor der Transformatorenanlage vor ihr aus dem Nebel auftauchte. Sie saß ganz still, während der Motor stotterte und ausging. Nun schloss sie die Augen und verwünschte den stechenden Schmerz in der rechten Schulter, wo der Sicherheitsgurt sich in ihr Schlüsselbein gegraben hatte, und das Reißen im Nacken. Sie versuchte, die Finger vom Lenkrad zu lösen, doch es gelang ihr nicht. Durch die zerschmetterte Windschutzscheibe sah sie, dass die Nebelgespenster wieder da waren und vom Motor in die Nachtluft aufstiegen.
    Sie hatte ihren neuen Wagen zu Schrott gefahren. Ihr Dad würde sie umbringen.
    Aber wenigstens war ihr nichts passiert. Sie war in Sicherheit … verletzt, aber sicher.
    Seufzend versuchte sie, tief Luft zu holen.
    Plötzlich wurde die Wagentür aufgerissen, und die kalte Luft wehte ihr um die Füße. Kräftige Hände lösten ihre Finger vom Lenkrad, der Gurt wurde losgeklickt, und dann zog ihr jemand etwas über das Gesicht. Sie versuchte sich zu bewegen, versuchte etwas zu sagen, doch sie konnte einfach nicht. Stattdessen schmeckte sie Blut. Sie wurde aus dem Wagen gezogen, erst sanft und fest, dann gröber … zu grob … an den Schultern und am Haar. Sie spürte, wie die Wurzeln aus der Kopfhaut gerissen wurden. Jetzt schrie sie, aber sie hörte keinen Laut, und dann war sie auf den Knien, und man drückte ihren Kopf nach unten. Ein Fuß in den Rippen wälzte sie auf den Rücken, und sie spürte die kleinen nassen Kieselsteine, die sich in ihre Haut bohrten. Finger machten sich an ihrem Gürtel zu schaffen, die eisige Nachtluft kroch über ihren entblößten Bauch. Anschließend spürte sie ein Knie auf der Brust und eine Hand über dem Mund. In der schwarzen Ewigkeit unter der Augenbinde spürte sie den Regen auf ihren Wangen und hörte das Knirschen der Steine, wo sich ihre Hacken bewegten. Eine Stimme: Halt
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