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In einer heißen Sommernacht

In einer heißen Sommernacht

Titel: In einer heißen Sommernacht
Autoren: Sandra Brown
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einen Heiligenschein aus weißen Haaren. Ihre blau geäderten, gefleckten Hände umklammerten identische Taschentücher mit Zierspitze, handbestickt von ihrer Mutter, wie sie Ella erzählt hatten.
    Mit unverhohlener Neugier spähten sie über Ellas Schulter hinweg, um einen Blick auf die Besucher zu erhaschen. Ein Besuch war nämlich ein großes Ereignis.
    » Ist das Doktor Kincaid?«, fragte Pearl, die Neugierigere der beiden. » Hallo, Doktor Kincaid«, rief sie.
    » Guten Morgen, Miss Pearl.«
    » Wen haben Sie uns mitgebracht?«
    Miss Violet warf ihrer Schwester einen tadelnden Blick zu. » Wir wollten eigentlich bis zum Mittag eine Partie Gin Rummy spielen«, raunte sie Ella zu. » Stören wir?«
    » Keineswegs.« Ella bat die Schwestern, sich in den hinteren Teil des Salons zu setzen, und schritt voraus. Nachdem die zwei am Kartentisch Platz genommen hatten, sagte sie » Meine Damen, Sie entschuldigen uns, bitte« und zog die beiden schweren Schiebetüren aus Eiche zu, die den großen Raum teilten. Sie gesellte sich zu den beiden Männern im vorderen Bereich, der auf die Veranda hinauszeigte. Trotz ihrer Aufforderung, sich zu setzen, standen beide noch.
    Doktor Kincaid fächelte sich Luft mit seinem Strohhut zu. Ella schaltete den Ventilator auf dem Tisch in der Ecke an und richtete den Luftstrom in seine Richtung, dann bedeutete sie den Männern, in den Ohrensesseln Platz zu nehmen. » Bitte.«
    Sie folgten ihrer Aufforderung.
    Da Sommer war und zudem Waschtag, hatte sie heute Morgen auf Strümpfe verzichtet. Befangen wegen ihrer nackten Beine, verschränkte sie die Füße und versteckte sie unter ihrem Sessel. » Kann ich Ihnen Limonade anbieten? Oder Eistee?«
    » Das klingt sehr gut, Mrs Barron, aber ich muss leider passen«, antwortete der Doktor. » Ich muss gleich wieder zu meinen Patienten in die Praxis.«
    Sie blickte Mr Rainwater an.
    » Nein, danke«, antwortete er.
    Der Gang in die Küche hätte ihr die Möglichkeit verschafft, die Schürze auszuziehen, die einen feuchten Fleck hatte, wo sie sich die Hände abgetrocknet hatte, und ihre Frisur zu richten. Aber da ihre Gäste nichts trinken wollten, musste sie in ihrer unordentlichen Aufmachung ausharren, solange der Besuch dauerte, dessen Grund immer noch nicht genannt worden war. Sie fragte sich, was Solly gerade machte und wie lange die unerwarteten Besucher bleiben würden. Sie hoffte, dass Mr Rainwater kein Vertreter war. Sie hatte nicht die Zeit, sich seinen Sermon anzuhören, was auch immer er ihr andrehen wollte.
    Der Geruch der dünstenden Senfblätter war selbst hier im vorderen Salon sehr stark. Der Doktor zog ein großes weißes Taschentuch aus seinem Jackett und tupfte den Schweiß von seiner kahlen Stirn. Eine Wespe flog gegen das Fliegengitter vor dem Fenster und versuchte wütend durchzukommen. Das Summen des Ventilators schien so laut wie eine Kreissäge.
    Sie war erleichtert, als Doktor Kincaid sich räusperte und sagte: » Ich habe gehört, Sie haben eine Untermieterin verloren.«
    » Das ist richtig. Mrs Morton ist zu ihrer kranken Schwester gezogen, irgendwo in den Osten von Louisiana, glaube ich.«
    » Ein gutes Stück weit weg von hier«, bemerkte er.
    » Ihr Neffe ist gekommen und hat sie auf der Zugfahrt begleitet.«
    » Das ist sicher nicht verkehrt für sie. Haben Sie schon einen Bewerber für das freie Zimmer?«
    » Mrs Morton ist erst vorgestern abgereist. Ich hatte noch keine Zeit, eine Anzeige aufzugeben.«
    » Tja, dann… gut, das ist gut«, sagte der Doktor und begann enthusiastisch, sich Luft zuzufächeln, als gäbe es etwas zu feiern.
    Ella, die allmählich den Grund des Besuchs ahnte, blickte zu Mr Rainwater. Er saß leicht vorgebeugt da, beide Füße fest auf dem Boden. Seine schwarzen Schuhe waren poliert, wie ihr auffiel. Sein dickes, schwarzes Haar war nach hinten gekämmt, bis auf eine Strähne, die glatt und glänzend wie ein Satinband widerspenstig in seine hohe Stirn fiel. Seine Wangenknochen waren ausgeprägt, die Augenbrauen glatt und schwarz wie Krähenflügel. Er hatte außergewöhnlich blaue Augen, die auf sie gerichtet waren.
    » Sie suchen ein möbliertes Zimmer, Mr Rainwater?«
    » Ja. Ich brauche eine Unterkunft.«
    » Ich bin noch nicht dazu gekommen, die Grundreinigung durchzuführen. Aber sobald das Zimmer fertig ist, bin ich gerne bereit, es Ihnen zu zeigen.«
    » Ich bin nicht wählerisch.« Mr Rainwater lächelte und zeigte sehr weiße Zähne, die vorne leicht schief waren. » Ich nehme das
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