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In einer anderen Haut

In einer anderen Haut

Titel: In einer anderen Haut
Autoren: Alix Ohlin
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Fressen, Wasser, einen Knochen, auf dem er herumkauen kann. Ich hasse diesen verdammten Hund.»
    «Und warum genau?»
    «Du lieber Himmel, ist das hier ein Therapie-Mobil, oder was? Wollen Sie mich hier
in Ihrem Auto
analysieren? Ich war schon mal in psychologischer Behandlung.» Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. «Der beste Rat, den mir mein Therapeut gegeben hat, war folgender:
Für nichts im Leben gibt es den idealen Zeitpunkt
. Heute war vielleicht nicht der ideale Zeitpunkt für das, was ich vorhatte, schon wegen dem Hund und so, aber da fiel mir der Satz meines Therapeuten ein, und das bestärkte mich in meinem Entschluss.»
    «Wirklich?», sagte Grace. So etwas bekam sie nicht alle Tage zu hören.
    «Ja, irgendwie schon. Mehr oder weniger.»
    «So ist das Leben», sagte Grace, was er mit einem beifälligen Nicken quittierte.
    Er öffnete die Tür, stieg aus und versuchte, seine Krücken vom Rücksitz zu nehmen. Dabei verlor er das Gleichgewicht, und die Krücken fielen auf den vereisten Gehsteig. «Verdammte Scheiße!», fluchte er.
    Sie zog den Zündschlüssel ab und stieg ebenfalls aus. Er hüpfte wütend auf und ab, versuchte, die eine Krücke zu erhaschen, die in einer Schneewehe gelandet war. Sie hob sie auf, klopfte den Schnee ab und schob sie unter seinen rechten Arm. Er hielt sich mit der anderen Krücke notdürftig aufrecht, ging einen Schritt Richtung Eingang und fiel erneut hin.
    «Tja, sieht so aus, als würden Sie doch nicht ohne meine Hilfe auskommen.»
    Er schwieg. Sie legte den Arm um seine Taille, stützte seine Hüfte mit der ihren und führte ihn vorsichtig zur Treppe, den Arm um seine Schultern gelegt. Er benutzte die eine Krücke, um ihnen die Stufen hinaufzuhelfen. Sie brauchten fünf Minuten, um die Eingangstürzu erreichen, und dann dauerte es zwei weitere, bis er die Schlüssel aus seiner Tasche gekramt hatte.
    Als er aufgeschlossen hatte, murmelte er, ohne sie dabei anzusehen: «Danke.»
    «Kann ich mit reinkommen?»
    «Warum?»
    «Ohne Hilfe sind Sie aufgeschmissen. Ich glaube nicht, dass der Hund Ihnen mit den Krücken helfen kann.»
    «Woher wollen Sie das wissen? Es ist ein ziemlich kluger Hund.»
    «Hmm, er müsste aber auch groß und geschickt sein», erwiderte Grace. «Und solche Hunde findet man eher selten.»
    Resigniert zuckte er mit den Schultern. Seine Wohnung war hübscher eingerichtet, als sie erwartet hatte: Parkettboden, Perserteppiche, Bücherregale, Bilder an den Wänden. Rechter Hand befand sich ein Treppenaufgang; das Schlafzimmer war offenbar oben und deshalb für ihn schwer erreichbar.
    Auf den Krücken mühte er sich zum anderen Ende des Apartments, und dann tauchte ein kleiner Hund auf, um ihn zu begrüßen, ein winziger Dackel, der Männchen machte und fiepte. Aus Sorge, dass Tug abermals das Gleichgewicht verlieren würde, setzte sich Grace auf das Sofa und rief den Hund zu sich. Er sprang auf ihren Schoß und schmiegte sich wie ein Kätzchen an sie.
    «Na, du bist ja ein ganz Lieber», sagte Grace. Sie hörte, wie in der Küche Wasser lief, ehe das Geräusch wieder verstummte.
    Tug kam wieder hereingehinkt. «Hören Sie, ich bin Ihnen wirklich dankbar, aber jetzt komme ich wieder allein klar.»
    «Haben Sie Freunde oder Verwandte, denen wir Bescheid geben könnten? Sie sollten jetzt nicht allein sein.»
    «In unseren Herzen sind wir nie allein», gab er zurück. «Noch so ein Spruch von meinem Therapeuten.»
    Sie beschloss, es auf andere Weise zu versuchen. «Auf welcher Etage ist Ihr Badezimmer?»
    «Ich habe zwei, oben und unten.»
    «Und Ihr Schlafzimmer?»
    Er gab einen Seufzer von sich. «Oben. Warum sind Sie so aufdringlich?»
    «Ich bin nicht aufdringlich. Ich bin
effizient
. Ich gehe, sobald ich hier alles für Sie geregelt habe. Also, wenn Sie mich fragen, sollten Sie lieber hier unten schlafen. Ich kann Ihnen ja Bettzeug von oben holen, okay? Ich schnüffele auch nicht herum, versprochen. Bin gleich wieder da.»
    So gut es ihm mit den Krücken möglich war, zuckte er mit den Schultern und ließ sich vorsichtig in einem Sessel nieder. Der Hund sprang von ihrem Schoß und lief zu ihm.
    Auch wenn sie versuchte, sich an ihr Versprechen zu halten, fiel ihr doch ins Auge, dass die obere Etage ähnlich geschmackvoll eingerichtet war. Es sah überhaupt nicht nach ihm aus. Nicht, dass sie glaubte, er habe keinen Geschmack, doch ging sie davon aus, dass ihm solche Dinge eher nicht wichtig waren. Wahrscheinlich der Einfluss seiner Exfrau. Sie legte
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