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In einem leuchtend schoenen Land

Titel: In einem leuchtend schoenen Land
Autoren: Minouche Moser
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meinem rationellen Leben abhanden gekommen war und empfand meine atheistische Ader als Zeichen einer Wohlstandsverwahrlosung.
    „Wohlstand hat auch mit politischer Verlässlichkeit zu tun“, sagte ich mehr zu mir selbst und sah Andreas an, der neben mir stehen geblieben war, unsere Gedanken derweil stumm von einem auf den anderen übergegangen waren, ohne dass wir sie aussprachen. Andreas nickte nachdenklich, wandte sich daraufhin dem Makler zu, während ich schweigend darüber brütete, wie soviel Religiöses in die Köpfe der Sri-Lanker hatte kommen können. Vermutlich in der Not geboren und notwendig, weil die finanzielle und auch die politische Verlässlichkeit fehlte. Was unter anderem darauf zurückzuführen war, dass eine über Jahrhunderte währende Kolonialherrschaft die Menschen ihrer buddhistischen, königlich-mystischen Kultur entfremdet hatte. Als Ersatz hatten wir ihnen ein kapitalistisches System und den katholischen Glauben aufgezwungen, in die sie nicht gemächlich hineinwachsen hatten können. Obenauf hatten wir ihnen keine Zeit gelassen, Altbewährtes nach und nach abzulegen und Neuem Raum zu schaffen. Gemeinsam mit Andreas hatte ich schon viele Stunden lang diese Theorie über die Armut und verwilderte Politik Sri Lankas gewälzt und blickte wieder gedankenverloren auf die katholischen Buddhisten nieder. Der Buddhismus war von den Kolonialmächten belächelt und mit einer unbefleckten Empfängnis und einem auferstandenen Jesus ersetzt worden, womit die sagenumwobene Dynastie ganz durcheinander geraten war. Und aus diesem zerrütteten Mythos war ein Regierungssystem entstanden, das momentan die politische Vision ihre Wähler aus den Augen zu verlieren drohte.
    Auch Touristen lasen Zeitung. Was ich in den letzten Wochen gelesen hatte, enthielt einen offensichtlichen Mangel an politischer Integrität und wäre für deutsches Rechtsempfinden in dieser Form kaum möglich gewesen. Diese Politik füllte die Taschen vieler, die eigentlich schon reich genug waren. Die weit aufklaffende Schere zwischen arm und reich raubte einer breiten Bevölkerungsschicht jeden Hoffnungsschimmer. Wenn die Realität versagte, schien es nur natürlich, dass man sich an seinen Glauben klammerte.
    Ich befreite mich aus meinem religiösen und sozialpolitischen Grübeln und wandte mich wieder der verschwenderisch angelegten Galerie zu, der den Blick auf den sprudelnden Fischteich und jenes gemütliche Sofa frei gab. Ich lehnte mich über ein fett lackiertes Holzgeländer in den Blick hinein und seufzte.
    „Die Zimmer sind alle möbliert“, prahlte unser Makler und riss mich aus meinen Gedanken. Er führte uns in einen ersten, winzigen Raum, an dessen Decke ein Ventilator die Hitze umdrehte und eine in die Wand gebaute Klimaanlage die tropisch bedingte Schwüle in Kälte vewandelte. Über dem Kinderbett schwang ein rosa Moskitonetz, das so kitschig war, dass den Mücken alleine beim Anblick der Durst vergehen musste. Wir streiften einen Kleiderschrank mit handgeritzten Schnörkeleien und betraten das Badezimmer, welches zwei Zimmer miteinander verband. Von dort aus stießen wir ins Elternschlafzimmer vor und blieben an einem Doppelbett stehen, über dem der Ventilator seine Runden drehte. Ein verschnörkelter Wandschrank erstreckte sich über die ganze Länge bis zu einem vergitterten Fenster, welches den Blick in des Nachbars Schlafzimmer freigab.
    „Und die Küche“, fragte ich in der Hoffnung, dass die Gemütlichkeit nicht nur auf der Galerie zuhause war und lief hinter dem Makler die Wendeltreppe bergab, stieg noch ein paar Stufen tiefer und endete in einem weiß gekachelten Verlies mit angerostetem Kochherd. „In den besseren sri-lankischen Haushalten kocht die Köchin“, entschuldigte er die Lieblosigkeit der Küche. Und, dachte ich die Erklärung zu Ende, in den Arbeitsplatz einer Köchin lohnte keine extra Investition. Ich war mit nur einem Satz in die Zweiklassengesellschaft eingedrungen, in der die „bessere“ Gesellschaft deutlich mehr wog als die Arbeiterklasse, man den Haushalt als niedrige Arbeit an die unteren Kasten abschob, Fingernägel und Hände der Hausfrau abwaschfrei prächtig sprießen und gedeihen konnten.
    Unterdessen war die Messe zum Choral übergegangen und der Lautstärkenregler ein paar Takte nach oben geschraubt worden. Ich wusste plötzlich, dass mich, bei allem Respekt für ihre Religiosität, die Beschallung von Freitag bis Sonntag, an Feiertagen, Hochzeiten und Beerdigungen auf Dauer
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