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In einem leuchtend schoenen Land

Titel: In einem leuchtend schoenen Land
Autoren: Minouche Moser
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Regel erst darunter, wenn das kostbare Gut bereits auf der roten Erde Pfützen bildete und ungenutzt versickerte – versickerte und kostspielig und umweltschädlich erneut aufgechlort werden müsste.
    Deutsche Sparsamkeit, beschloss ich, konnte nur in einem kargen Klima entstanden sein, in welchem einst ausschließlich die den Winter überleben konnten, die in den ergiebigen Sommermonaten emsig gesammelt hatten. Im Vergleich dazu erschien mir Sri Lanka wie ein Tischlein-deck-dich. Wasser sprudelte nach Belieben und in Trinkwasserqualität – zumindest bis vor wenigen Jahren noch in dieser Güte – aus dem Boden und stürzte als Wasserfall von den Bergen, Nahrhaftes wuchs rund ums Jahr reichhaltig an Palmen, Büschen oder direkt aus der Erde. In diesem Überfluss konnte sich keine sparsam vorausschauende Mentalität entwickeln, sondern diese sorglose Mentalität „von der Hand im Mund“, die ohne mühsame Zukunftsgrübelei auskam.
    Vielleicht, wurde ich sehr nachdenklich, war diese auf uns Europäer so leicht wirkende, sorgenfreie Mentalität auch typisch für die Armut, in welcher sich ein Großteil einer Drittweltlandbevölkerung befand. Vielleicht stand die Armut für: „Ich habe nichts zu verlieren!“ und würde im umgekehrten Fall belegen, dass Besitz belastete und daraus der Miesepeter gebaut war, der uns Europäern in diese kritische Grundhaltung gezwungen hatte.
    Die Armut, wie sie mir hier präsentiert wurde, versah mich mit einer gesünderen Perspektive für alles, was für mich einmal selbstverständlich gewesen war.
    Eigenhändig und mit sofortiger Wirkung entzog ich mir die Lizenz zum Jammern.
    Schließlich, so rügte ich mein Unbehagen in Sachen des gelben Leitungswassers, verfügten wir über fließend Wasser. Damit konnte ich großzügig wegspülen, was ich in einer Klositzung mit einer Tür von der Öffentlichkeit abgetrennt und ganz privat vollbracht hatte und musste mich zu diesem Anlass nicht für jedermann ersichtlich an den Strand oder im Dschungel absetzen. Dort entsorgte das Abgelegte die Flut und die Tierwelt, eine Trinkwasserverschwendung über eine Spülvorrichtung gab es nicht.
    Und was war schon ein bisschen verschwendetes Chlorwasser am Straßenrand, wenn man die Liter bedachte, die unsere Gesellschaft täglich dem Abgelegten hinterher spülte?
    Was man nicht hat, kann man auch nicht vermissen und die Menschen waren trotz der baulichen Mängel definitiv nicht unglücklicher, als wir mit unserem ausführlichen Innenausbau. Abgesehen davon war die Bauweise auch in ärmlichen Gegenden überraschend solide. Betonwände und Wellblechdächer hielten die Launen der Witterung einigermaßen aus dem Wohnraum heraus, wobei in den sintflutartigen Regenfällen der Monsunzeiten die eindringenden Wassermassen nicht mehr mit Eimern aufgefangen werden konnten. Ungehindert strömte es durch zahlreiche Ritzen und von der höher angelegten Straße in die Häuser hinein. Der Graben um die Häuser reichte dann oft nicht mehr aus, um die Fluten vom Eindringen in die Gärten und Häuser abzuhalten und man sah in jenen Tagen die Bewohner mit Eimern, Körben und Tüten zum Ozean pilgern. Sie füllten ihre Taschen randvoll mit Sand und schichteten jenen als Schutz an den Hauswänden und im Garten auf. Um das Trockenrücken von Möbelstücken mussten sich allerdings die wenigsten sorgen, denn in der Regel waren die Zimmer sparsam bis gar nicht möbliert und wenn, dann investierten sie in einen Fernsehapparat. Jener lief fast ununterbrochen, füllte mit lokal fabrizierten Soaps, der sri-lankischen Version eines Schlager-Top-Tens und einer Suche nach dem Superstar ihre Freizeit. Um sich einen Fernseher leisten zu können, aßen und schliefen sie auf dem Boden, verzichteten zu seinen Gunsten auch schon mal auf Tische, Stühle und Betten. Aus finanziellen und praktischen Gründen lebten oft mehrere Generationen gemeinsam in einem oder zwei Zimmern. Falls überhaupt Betten vorhanden waren, schliefen dort die Großeltern. Schließlich konnten die jungen Knochen den harten Boden besser aushalten als die spröde gewordenen der Alten. Manch einer hängte nachts die Türen aus der Angel und zweckentfremdete jene zur Pritsche, was ihnen ein paar Zentimeter Abstand zu den Ratten gewährte, die zur Schlafenszeit nicht selten herzhaft in ein Ohr oder eine Nasenspitze bissen und damit eine Tollwutimpfung notwendig machten, die sie sich nicht leisten konnten.
    In den um Colombo angelegten Slums fand das Elend der Großstadt
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