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In der Südsee

Titel: In der Südsee
Autoren: Robert Louis Stevenson
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manche mit erregten, andere mit entrüsteten Gesichtern. Das niedliche Mädel kauerte sich an meiner Seite nieder, und damals war es, daß sie, sicher in ganz unbeabsichtigter Schmeichelei, mir sagte, ich sähe ihrem Vater ähnlich. Tamaiti, der Ungläubige, saß da mit herabhängendem Haupt und allen Anzeichen der Niedergeschlagenheit. Terutak' troff vor Schweiß, sein Auge war verglast, sein Gesicht qualvoll gerötet, seine Brust hob und senkte sich wie nach einem Wettlauf. Der Mann muß von Natur habgierig gewesen sein, und ich glaube nicht, daß ich jemals moralische Todesqualen in tragischerer Formgesehen habe. Seine Frau neben ihm ermutigte ihn leidenschaftlich zum Widerstande.
    Und nun erfolgte der Angriff der alten Garde. Der Kapitän machte einen Luftsprung und nannte die überraschende Ziffer von fünf Pfund. Als das Wort heraus war, war auch das Maniap' schon leer. Des Königs Schwester warf die Karten hin und kam mit umwölkter Stirn nach vorn, um zu lauschen. Das hübsche Mädel schlug an seine Brust und schrie in unermüdlicher Wiederholung, daß ich den Kasten bekäme, wenn er ihm gehörte. Terutak's Frau geriet außer sich vor frommer Furcht, ihr Gesicht war entstellt, ihre Stimme, die ihn fast unaufhörlich warnte und ermutigte, klang schrill wie eine Pfeife. Selbst Terutak' verlor seine bildhafte Unbeweglichkeit, die er bis jetzt bewahrt hatte. Er schaukelte auf seiner Matte hin und her, warf die geschlossenen Knie von Zeit zu Zeit hoch und schlug nach Art der Tänzer gegen seine Brust. Aber er bewies sich als reines Gold in diesem Schmelztiegel, und mit dem letzten Rest der Stimmkraft, die ihm noch geblieben war, wies er die Bestechung zurück.
    Und nun erfolgte zur rechten Zeit eine Unterbrechung. »Geld nicht heilen Kranke«, bemerkte die Schwester des Königs, als wenn sie ein Sprichwort zitiere, und als man mir die Bemerkung übersetzte, löste sich die Binde von meinen Augen, und ich errötete über mein Begehren. Hier war ein krankes Kind, und ich versuchte, nach Ansicht der Eltern, den Arzneikasten fortzunehmen. Hier war der Priester einer Religion, und ich, ein heidnischer Millionär, wollte ihn zum Kirchenraub anstiften. Hier war ein habsüchtigerMensch, der hin und her gerissen wurde zwischen Begierde und Gewissenstreue, und ich saß dabei, weidete mich an dem Anblick und erneuerte lüstern seine Qualen. Ave, Cäsar! Verborgen in einer Ecke, schlafend, aber nicht tot, besitzen wir alle jene Naturveranlagung: eine kindliche Leidenschaft für den Sand und das Blut der Arena. So endete ich meine erste und letzte Erfahrung mit den Freuden eines Millionärs und ging unter schweigendem Entsetzen von dannen. Nirgendwo sonst darf ich erwarten, die Tiefen der menschlichen Natur durch ein Gebot von fünf Pfund zu erregen; nirgendwo kann ich hoffen, die schlimmen Folgen des Reichtums so deutlich vor mir zu sehen, selbst nicht durch Spendung von Millionen. Alle Anwesenden mit Ausnahme der Schwester des Königs hatten keine Ahnung von dem Ernst und der Gefahr der Situation. Ihre Augen glühten, das Mädchen schlug seine Brust in sinnloser tierischer Erregtheit. Nichts wurde ihnen geboten, sie hatten weder etwas zu gewinnen noch zu verlieren: der bloße Name und die Witterung jener großen Summe ließ sie wie vom Teufel besessen erscheinen.
    Von diesem einzigartigen Schauspiel ging ich direkt zum Palast, traf den König, bekannte ihm, was ich getan hätte, bat ihn, Terutak' in meinem Namen zu seiner Tugendhaftigkeit zu beglückwünschen und einen ähnlichen Kasten für mich machen zu lassen bis zur Rückkehr des Schoners. Tembinok', Rubam und eine der »Tageszeitungen« – der Mann, den wir die Witzecke zu nennen pflegten – plagten sich eine Weile mit irgendeinem Gedanken ab, den sie mir schließlich begreiflich machen konnten: sie fürchteten, daß ichglaubte, der Kasten werde mich gesund machen, während er doch ohne Zauberei nutzlos sei; wenn ich also von einer zweiten Erkältung heimgesucht würde, sollte ich mich lieber auf »Schmerzstiller« verlassen. Ich erklärte, ich wolle den Kasten nur in meinem Hause aufbewahren, als ein Andenken an Apemama. Und nun waren diese ehrlichen Männer ganz erleichtert.
    Spät am Abend, als meine Frau die Insel nach Osten zu durchwanderte, hörte sie Singen im Busch. Zu dieser Stunde und an diesem Ort ist es nichts Außergewöhnliches, den jubelnden Chor der Palmweinzapfer zu hören, die hoch zu Häupten in der Luft schwingen und tief unter sich das schmale
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