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In der Südsee

Titel: In der Südsee
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Majestät mit mehr als gewöhnlicher Selbstgefälligkeit. Offenbar sind die Götter nicht neidisch und lassen sich gemeinschaftliche Altäre und Priester gefallen. An dem Medizinbaum von Tamaiti hängen zum Beispiel Kanumodelle, die für eine glückliche Reise gespendet sind und deshalb Taburik gewidmet sein müssen, aber der Stein vor dem Baum ist der Platz für Kranke, die gekommen sind, Tschentsch zu versöhnen.
    Durch einen außerordentlich glücklichen Zufall traf es sich, daß ich mich von einer Erkältung bedroht sah, als wir gerade über diese Dinge sprachen. Ich erinnere mich nicht, daß ich jemals über eine Erkältung froh war oder es je wieder sein werde, aber die Gelegenheit, den Zauberer beim Werk zu sehen, war unbezahlbar, und ich zog die Ärzteschaft von Apemama zu Rate. Sie erschienen alle zusammen in ihrem Sonntagsstaat, behängt mit Kränzen und Muscheln, Abzeichen der Leute, die sich mit Teufelswerk beschäftigen. Tamaiti kannte ich schon, Terutak sah ich zum erstenmal: ein großer, hagerer, grobknochiger, ernster Nordseefischer brauner Hautfarbe; und außerdem war ein dritter in ihrer Gesellschaft, dessen Namen ich nicht hörte, und der eine Art Famulus von Tamaiti war. Tamaiti nahm mich zuerst in Behandlung und führte mich mit angenehmen Gesprächen zur Küste derFu-Bucht. Der Famulus stieg auf einen Baum, um einige grüne Kokosnüsse zu pflücken. Tamaiti selbst verschwand einen Augenblick im Busch und kehrte zurück mit Kokoszunder, trockenen Blättern und einem Zweig der Wachsbeere. Ich wurde auf den Stein gesetzt, den Rücken zum Baum und das Gesicht nach Osten gerichtet, zwischen mir und dem Kieselhaufen wurde eine der grünen Nüsse gelegt, und dann trat Tamaiti – der vorher seine Füße entblößt hatte, denn er war in Segeltuchschuhen gekommen, die ihn plagten – zu mir in den magischen Kreis, höhlte die Spitze des Kieselhaufens aus, legte die Brennmaterialien hinein und zündete sie mit einem Streichholz an: es stammte von der englischen Firma Bryant and May. Die Flamme wollte sich nicht recht entzünden, und der Zauberer füllte die Zeit sehr unehrerbietig mit Gesprächen über fremde Städte aus, über London und allerlei Handelsgesellschaften, die viel Geld besitzen müßten, über San Franzisko und die furchtbaren Nebel, »gleich Rauch«, die ihn an den Rand des Todes gebracht hätten. Ich versuchte vergebens, ihn zur Sache zurückzubringen. »Jeder machen Medizin«, sagte er wegwerfend. Und als ich fragte, ob er selbst ein guter Zauberer sei, sagte er noch leichtherziger: »Nicht wissen.« Schließlich schlugen die Flammen aus dem Laub hervor, und er legte neues Brennmaterial auf; ein dichter heller Rauch stieg mir ins Gesicht, und die Flammen züngelten gegen meine Kleider und versengten sie. Inzwischen redete er den bösen Geist an oder tat wenigstens so, indem er die Lippen schnell aber lautlos bewegte, und gleichzeitig schwang er den grünen Zweig in der Luft und berührte zweimal meine Brust mit ihm. Sobald die Blätterverbrannt waren, wurde die Asche vergraben, der grüne Zweig wurde in den Kieselhaufen gebettet, und die Zeremonie war zu Ende.
    Wer Tausendundeine Nacht gelesen hat, fühlte sich ganz zu Hause. Hier gab es Räucherwerk, hier gab es einen murmelnden Zauberer, hier war der öde Ort, an den Aladdin von dem falschen Onkel gelockt wurde. Aber in der Dichtung versteht man sich besser auf diese Dinge. Die Wirkung wurde durch die Leichtfertigkeit des Zauberers vereitelt, der seinen Patienten wie ein leutseliger Zahnarzt mit allerlei Gerede unterhielt, und durch die unangebrachte Gegenwart von Mr. Osbourne mit seiner Kamera. Was meine Erkältung betraf, so war sie weder besser noch schlechter geworden.
    Nun wurde ich Terutak ausgeliefert, dem leitenden Arzt und Medizinfürsten von Apemama. Sein Wohnort liegt an der Lagunenseite der Insel direkt neben dem Palast. Ein Zaun von dünnem Holz, ungefähr zwei Fuß hoch, umschließt den länglichen, mit Kieseln bedeckten Platz, ähnlich dem Betplatz des Königs; in der Mitte steht ein grüner Baum, darunter ein Steintisch mit zwei Kästen, die mit einer feinen Matte zugedeckt sind, und vor denen täglich eine Opfergabe von Nahrungsmitteln niedergelegt wird, eine Kokosnuß, ein Stück Taro oder ein Fisch. An zwei Seiten stehen hinter dem Zaun Maniap's, und ein Mitglied unserer Reisegesellschaft, das dort zeichnete, hatte täglich viele Leute und eine außergewöhnlich große Anzahl von kranken Kindern beobachtet, denn hier
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