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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase
Autoren: Pauline Gedge
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jedem Vorzeichen zu erschrecken und zu zittern, sonst kommt es noch so weit, dass du im Bodensatz deines Weins böse Vorzeichen und in den Staubflocken unter deinem Lager Katastrophen siehst.« Ihre harten Worte wurden durch ihr Lächeln Lügen gestraft.
    »Ihr glaubt alle, dass ich nicht stark sein kann«, sagte die junge Frau, »aber ihr täuscht euch. Ich vergesse den Falken schon nicht, Großmutter. Mein Gemahl wird eines Tages König sein und ich Königin. Ich erschrecke und zittere um Kamose, nicht um Ahmose und mich, und das weiß er. Ich liebe ihn. Wie könnte ich wohl keine Angst haben und nach Zeichen Ausschau halten, die auf Sieg oder Niederlage hindeuten? Ich sage nur laut, was ihr alle im tiefsten Herzensgrund denkt.« Sie reckte das Kinn und wandte sich an Kamose.
    »Ich bin kein Kind mehr, lieber Bruder«, sagte sie trotzig. »Beweise, dass die Zeichen Unrecht haben. Mach Gebrauch von der geheiligten Macht eines Königs, vor der alle bösen Zeichen zunichte werden.« Er fand keine Antwort, weder auf ihre machtvollen Worte noch auf ihre angstvolle Miene. Er bückte sich, küsste sie und wandte sich seiner Mutter zu. Aahotep war unter ihrer Schminke blass.
    »Ich bin eine Tochter des Mondes«, sagte sie leise, »und meine Wurzeln sind in Chemmenu, der Stadt Thots. Teti ist mein Verwandter. Das weißt du, Kamose. Falls du dich fragst, was du dort tun sollst, falls du dich davor fürchtest, Gerechtigkeit walten zu lassen, nur weil Tetis Blut auch meines ist, dann sorge dich nicht. Sollte sich die Stadt als aufsässig erweisen, säubere sie. Falls Teti gegen dich kämpft, metzele ihn nieder. Er hat Si-Amun seinem Gebieter Apophis zuliebe verdorben und verdient den Tod. Aber ehe du gegen Chemmenu oder Teti vorgehst, opfere dem Gott Thot.« Ein schmales, bitteres Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ich zweifle nicht daran, dass der Gott meiner Jugend voll Ungeduld auf die Säuberung wartet, die dein Schwert bringt. Dennoch bitte ich dich, habe um Tanis willen Erbarmen mit Ramose, falls es sich machen lässt. Er hat sich in unserer Sache als treu erwiesen und hat gleichzeitig versucht, Teti weiter zu gehorchen. Er ist hin und her gerissen, und das muss ihm viel Kummer bereitet haben. Es lag nicht in unserer Macht, Apophis davon abzuhalten, dass er unsere Nomarche seinem Vater versprach, sowie unsere Familie in alle Winde zerstreut gewesen wäre.« Ihr Lächeln wurde immer gequälter, doch sie bemühte sich um Fassung. »Demnächst muss die Kunde von deinem Aufstand das Delta erreichen. Was das für Tani bedeutet, die dort als Geisel gefangen gehalten wird, daran wage ich nicht zu denken. Aber wir müssen darauf vertrauen, dass Apophis nicht so dumm ist, sie hinzurichten, und dass Ramose sie noch immer liebt und versuchen wird, sie zu retten, falls man sie am Leben lässt.«
    »Ich werde alles tun und dir zuliebe vernünftig mit Teti reden«, antwortete Kamose mit einem Kloß im Hals. »Dennoch wissen wir beide, dass man ihm nicht trauen kann. Ich töte ihn nur, wenn er mir keine andere Wahl lässt. Was Ramose angeht, so muss er selbst wissen, wo er steht, aber es wäre mir schrecklich, wenn ich ihn umbringen müsste. Das wird für ihn keine leichte Wahl.«
    »Danke, mein Sohn.« Sie drehte sich um, griff sich ihren Enkel, hob ihn hoch, nahm ihn in die Arme und drückte ihn an sich, und Kamose fühlte, wie seine Großmutter sein Handgelenk im Zangengriff packte.
    »Wir beide verstehen uns gut«, sagte sie mit rauer Stimme. »Keine zärtlichen Abschiedsworte können die Tatsache überdecken, dass du gen Norden ziehst und ein Blutbad in diesem Land anrichten wirst. Dein Arm wird müde, dein Ka wird krank werden. Sieh dich vor, dass es nicht stirbt. Du hast meinen Segen, Kamose Tao, König und Gott. Ich liebe dich.« Ja, dachte er, als er ihr in die klugen, klaren Augen blickte. Im Geist bin ich dein Sohn, Tetischeri. Ich teile den Stolz und die Skrupellosigkeit, die dein Rückgrat aufrecht halten und dir das Blut noch immer hitzig in den Adern rinnen lassen. Er nickte ihr knapp zu und sie trat befriedigt zurück.
    Eine Bewegung und ein jähes Abschwellen des Lärms ringsum, als der Hohe Priester großen Schrittes in Sicht kam. Die Soldaten auf dem Weg machten ihm und seinen Tempeldienern Platz, verbeugten sich ehrfürchtig und umgaben ihn dann erwartungsvoll. Amunmose prangte in seiner vollen Amtstracht. Das Leopardenfell seines Opferamtes lag auf seiner weiß bekleideten Schulter, und in der Hand hielt er den
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