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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase
Autoren: Pauline Gedge
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zu erinnern, und Aahmes-nofretari sah ihm dabei benommen vor Schmerz zu. »Ich sehe, fühle etwas in meinen Armen, schwer, es ist ein großer Fisch… Nein, zu schwer für einen Fisch. Ich fühle Steine unter mir. Ich liege auf den Knien, ja.« Seine Hände fuhren hoch und bedeckten das Gesicht. »Ich kann mich nicht erinnern, Aahmes-nofretari!«
    »Das kommt zurück«, sagte sie nachdrücklich. »Bemüh dich nicht zu sehr darum. Deine Verwundung war ernst. Meketra hat dich mit einer Keule niedergeschlagen, als du Kamose gehalten hast. Der Schlag hätte dich getötet, aber Mutter hat es geschafft, ihn abzulenken. Sie hat zweimal zugestochen.« Seine Finger waren zum Laken zurückgekehrt und kneteten es langsam, heftig und rhythmisch.
    »Mutter? Aahotep? Sie hat Meketra umgebracht? Mit einem Messer?«
    »Ja, das hat sie. Aber es gibt noch viel mehr zu erzählen, Ahmose. Bleib ganz ruhig und lass mich berichten.«
    Noch ehe sie mit ihrem Bericht über die Ereignisse geendet hatte, weinte er schon. Sie störte seinen Kummer nicht und dann verstummte auch sie, wischte ihm das Gesicht ab, nahm seine Hände in ihre, legte ihren Kopf auf seinen Unterleib und schloss die Augen.
    Viel später spürte sie, dass er jetzt ihren Kopf streichelte, und bei der innigvertrauten Berührung wäre auch sie beinahe in Tränen ausgebrochen. »Und alles, während ich hier hilflos gelegen habe«, sagte er. »Hilflos und nutzlos, und selbst jetzt kann ich mich nicht einmal aufsetzen, weil mir das so wehtut. Verzeih mir, Liebes, dass ich dich allein gelassen habe, dass du vor das Heer treten musstest. Das ist keine Situation für eine Frau.«
    »Sei nicht albern«, schalt sie ihn. »Wir hatten keine andere Wahl, keiner von uns. Und ich bin nicht bloß eine Frau, sondern eine Tao. Meine Mutter auch, durch Heirat und durch ihre Halsstarrigkeit. Wir haben es gut gemacht und wir sind stolz darauf. Hor-Aha und Ramose werden die Deserteure aufspüren. Es ist vorbei, Ahmose. Mach dir keine Sorgen, das schadet nur deiner Genesung.« Sie setzte sich auf und strich sich das zerzauste Haar aus der Stirn, doch er ließ sie nicht los.
    »Du hast nichts gehört, von keinem«, sagte er. »Vorher können wir nicht sicher sein.«
    »Für Depeschen ist es noch zu früh«, mahnte Aahmes-nofretari. »Aber augenblicklich sind wir sicher. Anchmahor ist noch immer da.«
    »Den möchte ich auch sehen, aber nicht heute«, überlegte er. »Gleich trinke ich meinen Mohnsaft, denn mein Kopf hämmert schon wieder. Sag, was hältst du von Mesehti und Machu? Sie haben ihre Soldaten abgezogen und sind geflohen. Heißt das, man kann ihnen noch immer trauen?«
    Sie ging auf seinen Ton ein, denn ihr war klar, dass er durch das Bereden praktischer Angelegenheiten den Augenblick hinausschob, an dem er sich dem Tod seines Bruders stellen musste. Noch hielt der Damm des Verleugnens gut, hielt die Flut des Kummers, der Schuld und Reue zurück, aber sie wusste, dass er irgendwann brechen würde.
    Von nun an machte seine Genesung langsame, aber stetige Fortschritte. Der Arzt entfernte die Fäden und Ahmoses Haar wuchs um die Narbe herum nach. Er aß wieder ein wenig. Aber oft wachte Aahmes-nofretari des Nachts von seinem Weinen auf und lag dann reglos auf ihrem Strohsack, während er seine Qual hinausschluchzte.
    Aahotep kam auch häufig zu Besuch. Er hatte sich bei ihr auf seine schlichte, direkte Art bedankt, dass sie ihm das Leben gerettet hatte, wollte jedoch keine weiteren Einzelheiten wissen, und Aahotep, feinfühlig, wie man es von ihr kannte, erzählte ihm nichts. Auch Tetischeri besuchte ihn, doch zwischen ihnen herrschte ein gekünsteltes Schweigen, das oft lange dauerte, bis der eine oder der andere irgendeine Artigkeit sagte. »Ihr wäre es lieber, wenn ich anstelle von Kamose tot wäre«, bemerkte Ahmose Aahmes-nofretari gegenüber, »und sie hat den Anstand, sich deswegen zu schämen. Sie tut mir Leid.«
    Bald konnte er sich ein Weilchen aufsetzen und dann unsicher durch sein Zimmer gehen. Sein Appetit war zurückgekehrt und eines Morgens leerte er seinen Teller und bat um mehr, und da klatschte Aahmes-nofretari erfreut in die Hände. »Bald bist du wieder draußen auf dem Fluss und angelst«, sagte sie, doch seine Miene verdüsterte sich.
    »Ich glaube, ich fange nie wieder Fische, noch esse ich sie«, erwiderte er traurig. »Dabei würde mir immer Kamose fehlen. Außerdem bin ich König, wenn er in seinem Grabmal ruht, und Könige dürfen keinen Fisch essen. Damit
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