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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase
Autoren: Pauline Gedge
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zusammengekniffenen Augen an.
    »Ihr habt beschlossen, meine Mutter hinzurichten«, sagte er leise. »Darum schickt ihr mich nach Norden.« Es hat keinen Zweck, um den heißen Brei herumzureden, dachte Aahmes-nofretari und blickte ihm in die Augen. Nicht bei Ramose.
    »Ja«, gestand sie. »Du hast Ehrlichkeit immer zu schätzen gewusst, lieber Freund. Wir haben keine andere Wahl, wir müssen für unsere Sicherheit sorgen. Aber du sollst wissen, dass wir uns deinetwegen quälen, nicht ihretwegen. Sie hat es nicht besser verdient.« Er ging rückwärts zu einem Stuhl und ließ sich unbeholfen darauf sinken.
    »Sagst du mir wenigstens wann, damit ich für die Reise ihres Kas beten kann? Und, Prinzessin, ich bestehe auf einer angemessenen Einbalsamierung. Ich zahle auch dafür.«
    »Selbstverständlich«, antwortete sie ungerührt. »Morgen früh um die Morgendämmerung. Es tut mir so Leid, Ramose, ich finde keine Worte…« Er hob die Hand.
    »Sag nichts mehr, Aahmes-nofretari«, bat er. »Ich tue, was du mir befohlen hast, aber jetzt möchte ich allein sein. Sag bitte Senehat, sie soll in ihre Zelle gehen.«
    Ahmose muss Wiedergutmachung für alles leisten, was wir Ramose im Laufe der Jahre genommen haben, gelobte Aahmes-nofretari, während sie durch das jetzt dunkle Haus ging. Ich werde persönlich darauf bestehen, dass er ein Anwesen, einen Fürstentitel, Handelsrechte, was auch immer er will, bekommt, wenn Ahmose erst ein Gott ist. Doch als sie es sich neben der leblosen Gestalt ihres Mannes bequem machte, wusste sie, dass nichts den Verlust von Tani ersetzen oder die Wunde über die Schmach seiner Eltern heilen konnte. Macht ist ein kühler Bettgenosse. Gold kann Schande nicht tilgen. Und Versprechungen werden meine Schuldgefühle nicht lindern, sagte sie sich, innerlich seufzend. Mehr oder weniger sind wir alle in diesem Kampf zu Opfern geworden und es gibt keine Umkehr, weder für uns noch für Ägypten.
    In dieser Nacht tat sie kein Auge zu, sondern blieb bei Ahmose sitzen, streckte gelegentlich die verkrampften Gliedmaßen oder stutzte den Docht, doch hauptsächlich verbrachte sie die Stunden in Gedanken versunken an seinem Lager. Zweimal kam der Arzt, untersuchte seinen Patienten und verließ sie nach ein paar höflichen Worten wieder. Sie konnte das Verrinnen der Zeit an der Stille im Haus und im leeren Garten draußen abschätzen. Zweimal hörte sie den Wachposten jemanden vor der Tür anrufen, und bei der zweiten Wachablösung verließ sie ihren Mann und ging widerstrebend in ihre eigenen Gemächer. Es war Zeit zum Anziehen und Ahmose hatte die Augen noch immer nicht aufgeschlagen. Sie wusste nicht, ob sie deswegen dankbar oder bekümmert sein sollte.
    Anchmahor und die wenigen Getreuen des Königs, die dem Blutbad der Fürsten entronnen waren, begleiteten sie, ihre Mutter und Großmutter durch die frühmorgendliche Kühle zum Exerzierplatz. Den mittlerweile aufgedunsenen und schwarz gewordenen Leichnam von Meketra trug man vor ihnen her. Aahotep hatte verboten, ihn einzuhüllen, und Aahmes-nofretari richtete den Blick auf die Helme der Soldaten, damit sie den baumelnden, verformten Kopf des Mannes nicht sehen musste. Ich gerate nicht ins Stolpern, redete sie sich gut zu. Ich erschauere nicht und fliehe auch nicht vor dem, was ich zu sehen bekomme. Ich werde mich an Kamose und meinen Vater erinnern. Ich werde an meine Vorfahren denken. Aber vor allem werde ich das Gesicht meines Sohnes heraufbeschwören.
    Auf dem großen Exerzierplatz drängten sich schon die Soldaten. Als die drei Frauen auf die Estrade stiegen, merkte Aahmes-nofretari, dass Hor-Aha die Männer nach ihrer Zugehörigkeit zu den Fürsten mit dem Gesicht zu der freien Stelle aufgestellt hatte. Man hörte kaum einen Laut. Die eigentümliche, vertraute Pause, die Res Aufgang voraufging, schien durch die reglose Versammlung noch verstärkt zu werden, Reihe um Reihe ausdrucksloser Gesichter waren der Estrade zugewandt.
    Auf einen kleinen Wink von Aahotep hin wurde Meketras Leiche abgelegt, dass alle sie sehen konnten. Ein Beben lief durch die Reihen. Amun-nacht trat vor und verbeugte sich, neben ihm Simontu. »Ist alles bereit?«, fragte Aahotep den Befehlshaber des Gefängnisses. Er nickte bejahend. »Haben die Fürsten und Nofre-Sachuru ihre Gebete beendet?«
    »Ja, Majestät«, antwortete Simontu. »Die Herrin Nofre-Sachuru ist jedoch so außer sich, dass sie keinen an sich heranlässt. Wir mussten sie in einer geschlossenen Sänfte
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