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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase
Autoren: Pauline Gedge
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trat. Sie drehte sich lächelnd zu ihrer Tochter um. »Wie ich höre, ist Ahmose aufgewacht«, sagte sie. »Das ist eine wunderbare Nachricht. Ich wollte es dir persönlich sagen, Aahmes-nofretari, im Augenblick sind wir sicher. Es dauert einige Zeit, bis von Hor-Aha und Ramose Boten kommen können, aber das Schlimmste ist, glaube ich, überstanden.« Aahmes-nofretari musterte sie neugierig. Ihre Stimme klang etwas heiser. Unter ihrem Ohr verlief eine breite Schramme, die im Halsausschnitt ihres Hemdkleides verschwand, und ihre Handflächen waren wund. Aahotep merkte, dass sie gemustert wurde, und ihr Lächeln wurde strahlender. »Ich kann nicht behaupten, dass es Narben aus der Schlacht sind«, gestand sie. »Als Hor-Aha und ich auf dem Exerzierplatz ankamen, war Anchmahor schon mitten im Getümmel. Hor-Aha hat sich hineingestürzt. Anchmahor hat versucht, sich freizumachen, damit er mich beschützen kann, aber es hat einige Zeit gedauert.« Reuig hob sie die wunden Hände. »Ich bin zu dicht am Gefecht geblieben. Es war brutal und abstoßend, Aahmes-nofretari, aber irgendwie auch fesselnd. Ich konnte mich nicht vom Fleck rühren. Nicht, bis das Getümmel auf einmal auf mich zukam. Da habe ich mich zu Boden geworfen und bin ungeschickt hingeschlagen, dann habe ich mich unter die Estrade gerollt, und da bin ich geblieben. Keine würdevolle Lage für jemanden aus Ägyptens Königshaus. Dein Vater wäre entsetzt gewesen.« Sie verstummte, weil sie sich räuspern musste. »Es gab viel Gebrüll und Gefluche«, fuhr sie fort. »Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich auch gebrüllt habe, bis Anchmahor aufgetaucht ist und mich aus meinem Versteck gezogen hat. Wir haben uns nebeneinander gestellt und uns das Ende angesehen.« Sie verzog das Gesicht. »Es ist eine Erfahrung, die ich hoffentlich nie wieder machen muss. Ich glaube, von jetzt an bin ich dankbarer für die kleinen Aufgaben, die man einer Frau im Haushalt abverlangt.« Aahmes-nofretari sah sie mit großen Augen an.
    »Aber, Mutter, ich habe immer gedacht, du bist zufrieden«, sagte sie. Aahotep hob die Schultern.
    »Bin ich auch. Aber ich habe entdeckt, dass selbst eine Mondbewohnerin, wenn sie lange genug mit heißblütigen Menschen aus dem Süden lebt, feststellen wird, dass etwas von diesem Feuer auch in ihren Adern rinnt. Ich bin auf dem Weg zum Tempel, um mich von Meketras Blut zu reinigen. Die Wut hat sich gelegt, Aahmes-nofretari, stattdessen trauere ich um Kamose. Grüß Ahmose von mir und sag ihm, dass ich ihn morgen besuche.«
    Mich kann nichts mehr erschüttern, dachte Aahmes-nofretari, als sie in Ahmoses Zimmer zurückkehrte, in das jetzt die Abendschatten sickerten. Ich blicke in meinen Kupferspiegel und erkenne die Frau nicht mehr, die zurückblickt. Ich sehe meine Mutter an und sehe eine Fremde.
    Ihre Träumereien wurden durch Ahmoses Stimme unterbrochen. »Zünde bitte die Lampe an, Aahmes-nofretari«, sagte er. »Mein Kopf fühlt sich leichter an. Er hämmert nicht mehr so und meine Augen tun auch nicht mehr weh.« Sie erfüllte seinen Wunsch, stutzte den Docht in der hübschen Alabasterlampe, ging zum Fenster und ließ die Matten herunter.
    »Hättest du gern mehr Mohnsaft?«, fragte sie in der vagen Hoffnung, dass er trinken und danach wieder schlafen würde, doch er winkte ab, und da wusste sie, dass die Zeit gekommen war.
    »Nein«, sagte er. »Ich möchte Kamose sehen. Bring ihn her, wenn er noch immer hier ist, und falls nicht, so muss ich seine Depeschen lesen.« Aahmes-nofretari ließ sich auf dem Schemel neben ihm nieder.
    »Er kann nicht kommen, Liebster«, begann sie stockend. »Er ist tot, ist gestorben, als er auf dich zugerannt ist. Er wollte dich warnen, dass die Fürsten rebellieren und dein Leben in Gefahr ist, aber stattdessen hat ihn ein Pfeil getroffen. Er ist in deinen Armen gestorben. Kannst du dich daran erinnern?«
    Ahmose hatte auf der Seite gelegen und die Augen fest auf sie gerichtet, und während sie sprach, sah sie, wie sich sein Gesicht veränderte. Es war, als würde von innen alles Fleisch hineingesogen, sodass nur noch bleiche Haut über hervorstehenden Knochen übrig blieb. Die Hand, die auf seiner nackten Brust gelegen hatte, kroch auf das Laken zu und krallte sich hinein. Er drehte sich auf den Rücken.
    »Ihr Götter«, flüsterte er. »Nein. Ich spüre noch das Netz mit den Fischen. Ich sehe ihn auf dem Weg auf mich zulaufen. Ich sehe Meketra. Ich sehe… Ich sehe…« Er bemühte sich sichtlich, sich an alles
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