Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
Unterdrücker befreien kannst«, sagte er, »und schnell in den Frieden dieses wunderbaren Fleckchens zurückkehrst.«
    »Der Himmel möge es geben.« Kamose entließ den Mann, folgte ihm auf den Flur, durchquerte gemessenen Schrittes den menschenleeren Empfangssaal und trat hinaus in das neue Licht des frühen Morgens.
    Man wartete bereits auf ihn, alles drängte sich am Rand der Bootstreppe in dem Schatten, den das dort vertäute Binsenschiff warf, sein Schiff, auf dem hektische Betriebsamkeit herrschte wie immer, wenn viel zu tun und die Zeit knapp war. Rechts und links davon dümpelten die anderen Schiffe sacht am Nilufer, in ihrem Inneren ging es genauso aufgeregt zu, und in der reglosen Luft der Morgendämmerung hing überall der süßliche, leicht ranzige Geruch von den gebündelten Binsen, aus denen sie gefertigt waren. Hinter der Familie, längs des Flusspfades, stellten sich die Rekruten in Staubwolken und unter Stimmengewirr, in das sich das Gewieher der Packesel und die scharfen Befehle der gereizten Hauptleute mischten, in Marschordnung auf. Doch rings um die ernste kleine Gruppe herrschte Schweigen.
    Kamose näherte sich rasch, und sie blickten ihn gemessen an, die Mienen halb beklommen, halb bedenklich, so wie auch ihm zumute war. Nur Ahmose-onch plärrte und quengelte in den Armen seiner Kinderfrau, er hatte Hunger und langweilte sich. Es gab Kamose einen Stich ins Herz, als er sah, dass sich die Frauen so sorgfältig herausgeputzt hatten, als wären sie zu einem königlichen Fest geladen. Ihr golddurchwirktes, halb durchsichtiges Leinen, die dicke Schminke und die geölten Perücken hätten eigentlich für diese frühe Stunde überladen und unpassend wirken müssen, doch stattdessen diente der Putz dazu, sie von dem Staub und Lärm abzusondern, von den dräuenden Rümpfen der Schiffe und dem noch dunklen Wasser, das unweit plätscherte, er enthob sie diesem Augenblick und diesen Umständen und stellte sie auf eine andere, geheimnisvolle Ebene. Kamose wurde unwillkürlich daran erinnert, wie sie sich vor der gemeinsamen Bestattung seines Vaters Seqenenre und seines Zwillingsbruders Si-Amun eingefunden hatten, die auf unterschiedliche Art bei dieser furchtbaren Auseinandersetzung ums Leben gekommen waren. Seqenenre war zunächst von einem gemeinen Mörder angegriffen und später in jener ersten, verlorenen Schlacht erschlagen worden, während sich Si-Amun entleibt hatte, weil er die Pläne seines Vaters an den Feind verraten hatte. Heute umgab sie die gleiche Aura stummer Ergebung in das Schicksal und schien auch ihn einzuhüllen, als er näher kam und stehen blieb.
    Eine geraume Weile blickten sie ihn nur an, und er musterte sie seinerseits. Es gab viel und wiederum gar nichts zu sagen, sodass jedes Wort nur abgedroschen klingen konnte. Dennoch erfüllten die Gefühle jedes Einzelnen, Liebe, Angst, Trennungsschmerz, den Raum zwischen ihnen. Und nun fielen sie sich in die Arme, senkten den Kopf und wiegten sich langsam, als wären auch sie ein ägyptisches Schiff, das auf unbekannten Fluten dahintrieb. Als sie sich losließen, standen Aahmes-nofretaris Augen voller Tränen und ihr hennaroter Mund bebte. »Der Hohe Priester ist unterwegs«, sagte sie. »Er hat eine Botschaft geschickt. Der Bulle, der für das Morgenopfer ausgewählt war, ist vergangene Nacht gestorben, und er hat sich gedacht, dass du keinen anderen aussuchen möchtest. Ein unheilvolles Vorzeichen.« Panik durchzuckte Kamose, und er wehrte sich auch nicht gegen diesen jähen Schmerz.
    »Für Apophis, nicht für uns«, hielt er fest dagegen. »Der Thronräuber hat sich den Titel der Könige, Starker Stier der Maat, angeeignet, und wenn wir heute einen Bullen geschlachtet hätten, wäre nicht nur Amun auf unserer Seite gewesen, sondern wir hätten auch den ersten Zug zur Zerstörung der Setiu-Macht getan. Nun ist er ohne unser Zutun gestorben. Wir müssen ihm also nicht hier auf der Bootstreppe die Kehle durchschneiden. Aahmes-nofretari, das Vorzeichen ist gut.«
    »Dennoch, Kamose«, fiel ihm Tetischeri schroff ins Wort, »musst du dafür sorgen, dass die Soldaten nichts davon hören. Das sind schlichte Gemüter, die können nicht so kunstvoll auslegen wie du, für die bedeutet es kommendes Unheil. Sowie du fort bist, werde ich die Überreste des Tieres höchstpersönlich überprüfen und sie verbrennen lassen, damit sein Tod keine unheilvollen Auswirkungen hat. Vergiss den Falken nicht, Aahmes-nofretari, und bemühe dich, nicht bei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher