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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase
Autoren: Pauline Gedge
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Der Garten des Fürsten erstrahlte im Licht vieler Lampen, und Anchmahor selbst kam durch den Lichterschein rasch auf sie zu und begrüßte sie mit einem Lächeln und unter Verneigungen. »Majestät, Prinz, ich freue mich, euch zu sehen«, sagte er. »Das Badehaus steht bereit, falls ihr euch erfrischen wollt, und mein Haushofmeister meldet, dass wir in Kürze speisen können. Sagt, was möchtet ihr tun.« Sein Benehmen hat nichts von Intefs Vorsicht und auch nichts von seiner Unterwürfigkeit, überlegte Kamose, während er Anchmahor dankte und bat, dass man ihn zum Badehaus führen möge. Anchmahors Besitz zeugte von mehr Wohlstand als bei dem Nomarchen von Herui, und es war augenscheinlich, dass man hier die Anstandsregeln befolgte. Kein noch so dringliches Geschäft würde abgewickelt werden, ehe man nicht den Magen gefüllt hatte. So viel Befolgung altehrwürdiger Sitten wirkte beruhigend, und Kamose ließ die Gedanken schweifen und sich von der feuchten, duftenden Luft des Badehauses einhüllen. Doch es zeugte auch von Stolz und Wissen um eine hohe Abkunft. Ach, musst du immer alles auseinander nehmen?, schalt er sich, als er auf den Badesockel stieg und unter dem Schwall heißen Wassers, den ein Diener über ihn ausgoss, die Augen schloss. Nimm an, was ist, und sieh nicht immer Fallgruben und Gefahren, wo keine sind. Die wirklichen sind bedrohlich genug.
    Später führte man die Gebadeten, Rasierten und Geölten in einen Empfangssaal, in dem sich die Düfte köstlicher Speisen, erlesener Blumen und kostbarer Duftsalben vermischten, und bat sie, vor einzelnen Tischchen Platz zu nehmen, auf deren schimmernder Platte zarte Frühlingsblumen lagen. Anchmahors Familie, seine Gemahlin, zwei Söhne und drei Töchter näherten sich und huldigten ihnen. Es waren schöne Menschen, schlank und dunkeläugig, und ihre Züge unter dem Kohl und dem Henna glichen sich, ihr Geschmeide war kein Putz, sondern gehörte zu ihnen, denn sie waren bis ins Mark von Adel. Kamose benahm sich unter seinesgleichen ungezwungen und unterhielt sich gut, während Ahmose mit Anchmahors Söhnen über die Jagd sprach und bedauerte, dass sich ihm keine Gelegenheit bot, Aabtus Enten und Wildtieren nachzusetzen, von denen viele gebraten und appetitlich auf einer Abfolge von Schüsseln gelandet waren, die man vor ihm abstellte.
    Anchmahor ist tapfer, wenn er das alles aufs Spiel setzt, dachte Kamose. Für uns geht es um Überleben oder Vernichtung, er jedoch könnte diese Sicherheit für alle Zeiten genießen. Als hätte der Fürst seine Gedanken gelesen, blickte er zu Kamose hinüber und lächelte. »Das hier ist möglicherweise ein Trugbild, nicht wahr, Majestät?«, sagte er. »Meine Nomarche Abetch ist reich und ich lebe gut. Aber immer liegt die Zukunft wie ein Schatten auf mir, weil ich mich weigere, die Nomarche dem niederen Adel zu überlassen und Apophis im Delta bei Hofe aufzuwarten. Als er durch Aabtu gekommen ist, um dein Haus abzuurteilen, hat er für einen Tag und eine Nacht Halt gemacht. Ich habe ihn gut bewirtet, aber ich glaube nicht, dass ihm das gefallen hat.« Er verstummte und trank einen Schluck, der zierlich eine lange Kehle hinunterrann, um die sich goldene Filigranketten schlangen. »Seinem Blick ist nichts entgangen. Die üppige Fruchtbarkeit meiner Aruren in Kornspeichern und Lägern, die Pracht meines Anwesens, die Schönheit und Anmut meiner Familie und vor allem anderen vielleicht die Zufriedenheit meiner Bauern und meiner Dienerschaft. Ich habe ihm keinen Grund zur Klage gegeben, und dennoch habe ich seinen Argwohn gespürt.« Anchmahor hob die Schultern. »Ich glaube, ohne deinen Krieg stünden mir die gleichen, allmählich zunehmenden Schikanen bevor, die deinen Vater zu so verzweifelten Maßnahmen getrieben haben.«
    »Apophis mag nicht an seine fremdländische Abstammung erinnert werden«, antwortete Kamose bedächtig. »Er schart den ägyptischen Adel gern im Delta um sich, denn dort kann er ihn überwachen und ihn allmählich durch Setiu-Götter und Setiu-Sitten verderben.« Er warf Anchmahor einen Blick zu. »Aber außerhalb des Deltas erinnert sich der Erbadel durchaus daran, dass Schafhirten Göttern und Menschen ein Dorn im Auge sind. Der vergisst die wahre Maat nicht so leicht. Je gastfreundlicher und ehrerbietiger du bist, Anchmahor, desto stärker reibst du ihm Salz in die Wunden seiner fremdländischen Abstammung. Dennoch könntest du sein argwöhnisches Auge abwenden, wenn du einen deiner Söhne nach
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