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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase
Autoren: Pauline Gedge
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mehr Schiffe, dachte Kamose. Er verabschiedete sich recht freundlich von dem Fürsten und machte sich auf einen Tag erzwungener, unguter Muße auf dem Wasser gefasst.
    Zweiundeinehalbe Nacht später wandte sich der Nil nach Westen, ehe er in Richtung Aabtu wieder gerade verlief, und hier legten die Schiffe am Ostufer an. Kift und Quena lagen hinter ihnen, und Kamose musterte zufrieden die kleine, sandige Bucht. Hier gab es zur Abwechslung einmal nicht das gewohnte Bild aus grünen Feldern, palmengesäumten Kanälen und Dörfchen, sondern die Wüste schob sich vor, verlief in Dünen bis zum Ufer. Kein Schatten milderte den Blick auf heißen Sand und sengenden Himmel. Die Stelle war bestens geeignet, um ein, zwei Tage zu drillen. Kamose drehte sich zu Hor-Aha um, der schweigend neben ihm stand. »Ich breche sofort nach Aabtu auf«, sagte er. »Und die Getreuen des Königs nehme ich mit. Ich sollte gegen Abend dort eintreffen. Wenn die Landtruppen ankommen, lass sie kurz ausruhen, dann schickst du sie an die Arbeit. Und, Hor-Aha, halte sie von den Medjai fern. Das Letzte, was wir brauchen, ist eine hirnlose Schlägerei.«
    »Nur keine Bange, Majestät«, meinte der General. »Ein paar Kampftage dürften beiden, Ägyptern wie Medjai, deutlich machen, dass sie sich gegenseitig ergänzen. Ich denke, ich schicke die Medjai mit ihren Hauptleuten in die Wüste. Sie benötigen für ein Weilchen festen Boden unter den Füßen. Nimmst du Fürst Ahmose mit?« Kamose zögerte, dann nickte er, ihm war der überraschende Einwurf seines Bruders eingefallen, bei dem Intef in Qebt eingelenkt hatte, und da merkte er auf einmal, dass er Ahmose überhaupt nicht kannte. Der junge Mann mit dem sonnigen Gemüt, der Jagen und Schwimmen und die einfachen Freuden des Familienlebens liebte, wurde auf wundersame Weise immer reifer.
    Aabtu lag auf dem Westufer, und als sein Schiff auf die breite Bootstreppe der Stadt zuhielt, erschrak Kamose zunächst, als er die vielen Männer sah, die in der staubigen roten Luft des Sonnenuntergangs herumliefen. Seine Gedanken flogen nordwärts. Apophis hatte von seinen Absichten erfahren. Das hier waren Setiu-Soldaten, und er und Ahmose würden auf der Stelle niedergemetzelt werden. Doch Ahmose sagte: »Was für ein schöner Anblick, Kamose. Es sieht so aus, als ob Anchmahor eine noch größere Streitmacht für uns zusammengebracht hat als Intef«, und Kamose kam mit einem zittrigen Auflachen wieder zu sich.
    »Den Göttern sei Dank«, sagte er leise. »Ich hatte schon Angst…« Ahmose winkte und die Laufplanke wurde ausgelegt.
    »Noch nicht«, sagte er leise, als sie, umgeben von den Getreuen des Königs, ans Ufer gingen. »Noch haben wir ein wenig Zeit.« Um sie herum verbreitete sich Stille, als die Menge die Symbole erkannte, die auf Kamoses Brust prangten. Viele fielen auf die Knie, andere verbeugten sich ehrerbietig. »Aabtu ist nicht ganz so provinziell wie Kift und Qebt«, fuhr Ahmose fort. »Schließlich liegt hier Osiris’ Kopf begraben, und jedes Jahr kommen viele Pilger in die Tempel und sehen sich die heiligen Spiele an. Es ist ein heiliger Ort.« Sie hatten den Fluss hinter sich gelassen und schritten am Kanal entlang, der zu Osiris’ Tempel und zu Anchmahors Palast daneben führte. Kamose merkte, dass sich ein Beamter zu ihnen durchdrängelte. Auf sein Wort hin ließen die Getreuen den Mann durch. Er verbeugte sich tief.
    »Mein Gebieter hat mich angewiesen, nach dir Ausschau zu halten, Majestät«, erläuterte er. »Wir stehen seit einer Woche für dich bereit. Mein Gebieter ist soeben aus dem Tempel nach Haus zurückgekehrt. Ich möchte ihm mit Verlaub melden, dass du da bist.«
    »Ich würde gern Osiris huldigen, ehe ich mich mit dem Fürsten treffe«, erwiderte Kamose. »Teile ihm mit, dass wir in einer Stunde zusammenkommen. Morgen früh haben wir zum Beten keine Zeit mehr«, fuhr er, an Ahmose gewandt, fort. »Das Heiligtum dürfte noch geöffnet sein.«
    Im letzten Zwielicht traten die beiden Männer aus dem Tempel, doch die seltsame Traurigkeit dieser Stunde verflüchtigte sich beim hellen Schein von Kochfeuern und flammenden Fackeln. Überall duftete es nach brutzelndem Fleisch. »Ich bin hungrig«, sagte Ahmose. »Hoffentlich führt der Fürst eine gute Tafel.« Der Mann, der sie vorhin angesprochen hatte, wartete auf sie. Er löste sich aus den länger werdenden Schatten von Osiris’ Vorhof, verbeugte sich und bat sie, ihm zu folgen.
    Weit war es nicht bis zu Anchmahors Anwesen.
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