Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
Vom Netzwerk:
daß die SDJ ein Mittel zur Wahrheitsfindung ist und kein Test mit dem Ziel, Mr. Dalmistros Eignung zur Durchführung der SDJ zu ermitteln.«
    »Und wie lange soll das so weitergehen?« Die Stimme des Generaldirektors war aus mühselig bezähmter Wut rauh.
    »Professor Oishi und ich werden beobachten und die Frage eines eventuellen Abbruchs der SDJ fortlaufend diskutieren. Ich kann Ihnen versichern, daß wir das Problem der Vertretbarkeit und Zumutbarkeit sehr aufmerksam im Augenmerk behalten. Wie in allen Angelegenheiten von öffentlichem Interesse können Sie mir auch in dieser Sache volles Vertrauen schenken, Mr. de Fumure.«
    »Daß ich nicht lache.« Ein Laut, der dem Knurren einer Bulldogge glich, entfuhr de Fumures Kehle. Er strich sich mit der Hand über die Stirnglatze, als wolle er das verräterische Kainsmal seiner Dollarzeichen-Tätowierungen wegwischen. Doch sie zeichneten sich weiterhin in unerbittlichem Kontrast ab. »Daß ich nicht lache«, wiederholte er, als sei sein Aufknurren der mit fast gewaltsamer Willensanstrengung abgewürgte Ansatz eines Lachens gewesen.
    »Sie überspannen den Bogen des Erträglichen, Sozialkoordinator«, zischelte de Herbignac mit feuchter Aussprache. Inzwischen hatte der Hyperprotektor in einigem Umfang seine Unverschämtheit und blasierte Anmaßung zurückgewonnen. »Ich bin ein Würdenträger und das Oberhaupt einer großen Gemeinde. Tausenden hat unsere Selige Sphäre zur Erlösung von der profanen Grobstofflichkeit und zur Erneuerung verholfen.« Verspätet schaltete er seinen Stimmverstärker ein. »Im Namen der Seligkeit und des Höheren Spirituellen Reiches der Astralseelen verlange ich die unverzügliche Beendigung dieses schmählichen, ungehörigen Streichs.«
    Clay war drauf und dran gewesen, sich einzumischen und auf die von Jambavat verkündete Verlängerung des Rituals zu verzichten, doch de Herbignacs glattzüngige Äußerungen über die »Erlösung« stimmten ihn augenblicklich wieder um. Er glaubte nicht mehr an einen Erfolg der Sankt-Damokles-Justiz, aber nun wollte er vor einem derartig skrupellosen Schwadroneur nicht so ohne weiteres kapitulieren; auf keinen Fall bevor er sich mit der Aufgabe all der Absichten und Erwartungen, mit denen er zur Venus geflogen war, endgültig abgefunden hatte.
    »Ich habe den Ausführungen, die ich zu Mr. de Fumure gemacht habe, nichts hinzuzufügen, Hyperprotektor«, antwortete Yama Jambavat durch die Ergsonde. »Es ist unumgänglich, daß Sie sich noch für einen Moment gedulden.« Der Sozialkoordinator schwieg einen Augenblick lang. »Bitte, Mr. Dalmistro.«
    Die Leuchtkraft der Ergsonde schwand zusehends dahin, und die Schatten in den Mienen von Clays Kontrahenten vertieften sich, nahmen das Aussehen krankhafter Furchen und Flecken an.
    Clay befeuchtete mit der Zungenspitze seine Lippen. Hatte ein zweiter Versuch wirklich einen Sinn? Welche Frage sollte er stellen? Krampfhaft strengte er sein Gehirn an, bis ein Schwindelgefühl ihm die Sicht mit Geflimmer trübte. In unsagbarer Verzweiflung suchte er nach Worten.
    »Mr. de Herbignac ... Mr. de Fumure ...« Er konnte den Eindruck nicht überwinden, daß er lallte. »Beantworten Sie wahrheitsgemäß meine ... meine folgende Frage ...« Welche? Welche? WELCHE? Die Windungen seines Gehirns schienen so erstarrt und knochentrocken wie eine fossile Verklumpung von Ammoniten zu sein.
    Seine Eingebung, so hatte er das unwiderstehliche, unverdrängbare Gefühl, kamen auf den wisprigen Schwingen einer Einflüsterung zu ihm, und er war dermaßen verdutzt, daß er unwillkürlich einen halben Schritt zurückprallte. Noch nie hatte er irgendeinen Gedanken mit solcher Deutlichkeit als Suggestion empfunden.
    Schon im nächsten Augenblick befielen ihn Zweifel an dieser Wahrnehmung. Dieser gesamte Sankt-Damokles-Mythos war eine Form von Massenhysterie, und in seiner halbbewußten Betriebsblindheit hatte er sich ihren Standpunkt zu eigen gemacht; anders ließ sich die Einbildung, der Ferroplasmaklotz stünde als höhere Instanz ausgleichender Gerechtigkeit auf seiner Seite, nicht erklären. Sankt Damokles war nichts anderes als der Fokus kollektiver Heilserwartungen, ähnlich wie im vorangegangenen Jahrhundert die UFOs.
    Aber das alles durfte im Moment als zweitrangig gelten. Er wußte eine Frage an seine beiden Kontrahenten, und er sprach sie aus, schnell und mit heiserer, aber unvermutet fester Stimme.
    »Haben Sie sich an den Klienten der Energetensphäre, die sich um ›Erneuerung‹
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher