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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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aber jedenfalls hatte das Ferroplasma die beiden Männer verzehrt, als hätte es sie nie gegeben.
    Clay lag nackt auf dem Felsboden. Sankt Damokles hatte ihn, als sei er ein Auswurf, doch wiedergeboren.

Epilog
     
     
    ... und die Tempel dieser Götter sind besät mit den Leichen ihrer Anhänger.
    H. K. Challoner: Bau dein Haus auf Fels
     
    Die üblichen tumultartigen Szenen spielten sich im Shuttle-Terminal ab, während Clay in Begleitung Marita Ribeaus und Tasches gemächlich zum Portal des Hangars schlenderte. Bis zum Start der Fähren zum im Orbit geparkten Linienschiff Sternengondel blieb noch genug Zeit, aber schon strömten massenweise Passagiere in den Hangar, drängten und überholten sich gegenseitig, zermürbt von Ungeduld und gemartert von jener seltsamen, irrationalen Sorge, die seit jeher Reisende zu plagen pflegte, daß sie nämlich aus irgendwelchen Gründen vergessen werden und zurückbleiben könnten.
    Diesmal amüsierte ihn das Gewimmel lediglich. Die Resultate seines Venusaufenthalts machten ihn nicht gerade glücklich, doch er trat den Rückflug in der gelassenen, mit leichter Resignation vermischten Zufriedenheit eines Menschen an, der aus einer ganz und gar verpfuschten, unlösbaren Situation das Beste herausgeholt hat. Von Yama Jambavat hatte er sich bereits verabschiedet.
    Sobald die Sankt-Damokles-Justiz mit eindeutigem Ergebnis beendet gewesen war, hatten von Sozialbüro-Freghels befehligte Detektivbots und Repuls-Golems gleichzeitig das Heilige Zentrum der Energetensphäre und das Gebäude der IMFG besetzt, sämtliche Datenträger und sonstigen Unterlagen beschlagnahmt sowie die Computer amtlich sperrcodiert und versiegelt. Das Konzil der Seligen und mehrere Manager und Experten der IMFG waren in Haft genommen worden. Der Sozialkoordinator hatte Wort gehalten.
    Die analytische Auswertung der eingezogenen Daten war noch im Gang, aber Tasche hatte schon ein Datenpaket gespeichert, dessen Informationen genügten, um dem FI auf der Grundlage der UNO-Charta die Einreichung einer Klage auf Steuernachzahlung zu ermöglichen. Clay durfte sich durchaus eine Höherstufung seines Rangs und eine Neubewertung seines Allgemeinwirtschaftlichen Nützlichkeitsindex nach oben versprechen. Doch das waren Dinge, die in seinem Denken inzwischen eine untergeordnete Bedeutung einnahmen.
    Das Problem, das ihn gegenwärtig am meisten beschäftigte und mit dem er sich in der nächsten Zeit dauerhaft würde befassen müssen, bestand im Kern aus der Frage, was nun eigentlich aus ihm werden sollte. Er hatte sich innerlich gewandelt; er spürte es unverkennbar. Die Venus hatte ihn verändert. Er bezweifelte, auf der Venus – in ihrem Labyrinth exotischer Kulturinseln mit all den tohuwabohischen Antiformen des Lebensstils – leben zu können; und er war sich nicht sicher, ob es ihm gelingen konnte, sich wieder reibungslos ins enge, disziplinierte, brutale System intensivster Effizienz und Konkurrenz einzufügen, in das er auf der Erde eingebunden war wie eine Läusemelkerin in einem Ameisenhaufen. Die Saat des Nonkonformismus hatte in seinem Gemüt Wurzeln geschlagen. Gab es für ihn einen anderen, gänzlich neuen Weg, der ihn nicht ins Fronmartyrium der Tiefstädte zurückwarf? Bis jetzt wußte er keinen Rat.
    Marita Ribeau hatte ihn zu nichts gedrängt; dafür war er ihr dankbar. Er mußte mit sich selbst ins reine kommen.
    Sie trug eine kirschrote Bluse mit langen, weiten Ärmeln, deren Ausschnitt bis an den Nabel reichte; zwei kupferfarbene Kometenschweife verliefen von ihren Schlüsselbeinen bis zu den Brustwarzen, die die festen Kometenkerne mit augenfälliger Knackigkeit bildeten; ein schwarzer Lendenschurz aus Samt und Pumps in Flieder vervollständigten ihre heutige Garderobe. Als besondere Attraktion jedoch hatte sie den Schädel kahlgeschoren und poliert, und zwar so gründlich, daß man auf der glänzenden Wölbung nicht einmal eine Stoppel sah. Vielleicht aus Rücksicht auf den etwas ernsteren Anlaß hatte sie auf Accessoires wie fliegende oder leuchtende Objekte verzichtet.
    Sie geleitete ihn bis an die Schwelle des Portals, dann standen sie Auge in Auge, ließen die Menschen vorüberhasten, ganz einmütige Zweisamkeit inmitten von Hektik und Gewühl. Sie küßten sich in aller Ruhe und mit der Behutsamkeit abgeklärter Gewißheit.
    »Es fällt mir schwer, dich abreisen zu sehen.«
    »Mir fällt es schwer, dich zu verlassen.«
    »Ließe ich dich nicht gehen, könntest du nicht zu mir
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