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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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zum Schluß Clay, der sich fragte, warum es ihm keinerlei Vergnügen bereitete, daß de Herbignac litt.
    Drunten schloß sich de Fumure ohne Zögern der Ergsonde an, als sie in den Zwischenraum voranschwebte, der die Ferroplasmamasse vom nicht sonderlich ebenen Felsboden trennte. Seine überlegene Kaltschnäuzigkeit entsetzte den Hyperprotektor sichtlich, zumal sie die Angelegenheit so beschleunigte, und de Herbignac verharrte vor der pechschwarzen Kluft und glotzte aus geweiteten Pupillen umher. Clay holte ihn ein.
    »Nun kommen Sie schon. Sie als Seliger haben doch nichts zu befürchten, oder?«
    De Herbignac schreckte zurück. »Ich soll in diese Grube? Mich kriegt niemand in so ein Loch! Mich nicht!« Er betastete seine Kehle.
    Die Ergsonde und de Fumure warteten in wenigen Schritten Abstand. »Halten Sie uns nicht auf, John. Je schneller wir diesen Hokuspokus hinter uns bringen, um so eher können wir die Verantwortlichen dieser Schweinerei zur Rechenschaft ziehen.«
    Die Helligkeit der Ergsonde verlieh de Herbignacs aschgrauer Miene den Blauschimmer einer Wasserleiche. Clay hatte einst eine in einem Tiefstadtkanal dümpeln gesehen. »Nein«, stöhnte der Hyperprotektor, einem Schlaganfall nahe. »Nein! Niemals!«
    »Los, vorwärts«, forderte Clay ihn auf. »Stellen Sie sich einfach vor, Sie wären unterwegs zur Läuterung und Befreiung von der schmutzigen Last des Fleischlichen.« An diesem Seitenhieb hatte er endlich doch eine gewisse grimmige Freude.
    »Nein!« kreischte der Selige, anscheinend nun vollends verstockt und zum äußersten Widerstand entschlossen. Seine Augen drohten sich nach oben zu verdrehen.
    »Mr. de Herbignac«, ertönte Jambavats Stimme aus der Ergsonde. »Bitte setzen Sie den Weg fort. Ich muß Sie daran erinnern, daß die Verweigerung Ihrer Teilnahme an der SDJ als Schuldeingeständnis aufgefaßt werden müßte. Aber da Sie nach eigenen Angaben ja ...«
    »Ich bin unschuldig!« heulte der Fette auf.
    »... unschuldig sind, sollten Sie die kleine Unannehmlichkeit der Teilnahme als zumutbar empfinden, weil sie uns allen in einer sehr schwierigen Situation zur Wahrheitsfindung verhelfen wird. Bitte vermeiden Sie weitere Verzögerungen.«
    »Kommen Sie, Sie feiger Dummkopf«, schnauzte de Fumure im Befehlston. »Wollen Sie, daß man Ihren Bammel zum Vorwand nimmt, um uns etwas anzuhängen? Das wäre ja wohl das letzte.«
    Er wandte sich ab. Die Ergsonde schwebte weiter, und der Generaldirektor folgte ihr. Clay ging ihm nach, beobachtete de Herbignac über die Schultern.
    Die runden Schultern des Hyperprotektors sackten herab, der Fleischberg schien in den Schlieren des Ergkorsetts zu schrumpfen; mit einer laschen Bewegung äußerster Resignation betätigte de Herbignac den Codegeber und schloß sich den beiden anderen Männern von neuem an.
    »Ich weiß gar nicht, was Sie haben«, sagte sein Kumpan in wieder freundlicherem Ton. »Wenn ich gewußt hätte, wie interessant es hier unten ist, wäre ich Sankt Damokles schon längst mal besichtigen gegangen. Das ist ja wie am Eingang zum Hades.« Seine Stimme widerspiegelte regelrechte, tiefempfundene Faszination. »Wie in meiner Lieblingsoper, Monteverdis ›L'Orfeo‹, da gibt's im dritten Akt die Szene, als sich Orpheus anschickt, die Unterwelt zu betreten, um seine Eurydike zurückzuholen, und die Hoffnung singt und beschreibt die Stelle, also die Grenze zum Totenreich. Ich habe immer eine Aufnahme bei mir, hören Sie mal!«
    Er berührte einen Ring an seiner linken Hand, und der in Platin gefaßte Diamant entpuppte sich als Speicherkristall. Unter normalen Umständen hätte Clay höchstens mit den Achseln gezuckt, doch inmitten der von der Ergsonde in bläßlicher Gespenstigkeit aufgehellten Finsternis unter Sankt Damokles' Riesenleib drangen die aufwühlenden Klänge durch Mark und Bein.
     
    »Ecco l'atra palude, ecco il nocchiero,
    che trae gli ignudi spirti a l'altra riva,
    dove ha Pluton de l'ombre il vasto impero.
    Oltre quel nero stagno, oltre quel fiume,
    in quei campi di piante è di dolore,
    destin crudele ogni tuo ben t'asconde.
    Or d 'uopo è d 'un gran core è d 'un bel canto.
    Io sin qui t'ho condotto, or più non lice,
    tecco venir, chè amara legge il vieta,
    legge iscritta col ferro in duro sasso
    de l'ima reggia in su l'orribil soglia,
    che in queste note il fiero senso esprime:
    Lasciate ogni speranza voi che entrate.«
     
    »Aufhören!« schrie de Herbignac wie ein Besessener. Zum erstenmal fiel Clay auf, daß man, seit
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