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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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hatte.
    (Clay war sich darüber im klaren, daß er diese Erkenntnisse nicht ausschließlich eigenen Denkprozessen verdankte, sondern Suggestionen, die ihren Ursprung in Sankt Damokles' Kollektivpsyche hatten.)
    Neues geopsychisches Leben war im Entstehen begriffen. Die Entwicklung und Reifung des völlig neuartigen Phänomens eines multipsychischen Bewußtseins war noch lange nicht abgeschlossen, doch bestimmte Eindrücke brachten ihn dazu, als mittelfristiges Ziel die Erwartung zu sehen, Sankt Damokles könne mit der Zeit so etwas wie das kollektive Gewissen der Venusier werden, vielleicht sogar der ganzen Menschheit.
    Eine einzelne Psyche suchte mit Clay die Kommunikation ablesbar an minimal verstärktem Oszillieren.
    Vater.
    Shereen!
    Sie hatte einen für ihn undenkbaren Frieden gefunden. Doch Schmerz und Trauer quollen nun von neuem in Clay auf wie aus einer Eiterbeule, und Erbitterung und der Grimm über sein Versagen drohten ihn zu umnachten. Aber es gab keine Rückkehr. Das Band zu ihrem vorherigen, menschlichen Körper, der in einem Stasisbehälter ganz für sich der Vergänglichkeit widerstand, war unwiderruflich zerrissen, und der mit dem Ferroplasma und Tausenden anderer Psychen eingegangene Bund zu stark, als daß sie je wieder daraus hätte entlassen werden können. Und es gab kein Jenseits und kein Wiedersehen.
    Clays Sehnsucht war qualvoll. Er hatte Shereen gefunden und mußte sie wieder verlassen. Zu viele Gründe schlossen sein Bleiben aus, auch wenn Shereen und der Friede ihres neuen Seins in diesen Augenblicken eine ungeheure Anziehungskraft auf sein Gemüt ausübten.
    Shereen , klagte er, als hätte er als Vater noch immer nichts dazugelernt, das ist für dich kein Leben. So ein Plasmaklumpen ist doch nicht lebensfähig. So was hat keine Zukunft.
    Die Antwort ließ keinen Zweifel daran, daß er es hier mit dem Keim einer Lebensform der Zukunft zu tun hatte. Aller Zukunft. Die Antwort bestand aus einer an Furchtbarkeit einzigartigen Vision von der fernen Zukunft des Universums, und diese Vision drang als komprimiertes kosmisches Panorama mit der unbarmherzigen Faktizität eines Naturschauspiels auf ihn ein.
     
    In Zeit gebettete Finsternis füllte das Universum aus. Schon vor ungezählten Äonen waren alle Sonnen erloschen. Nur dann und wann flackerte irgendwo wie ein Irrlicht die Explosion eines Schwarzen Lochs.
    Die Finsternis war kalt. Sämtliche thermische Energie war verbraucht. Der ganze Kosmos befand sich im buchstäblichen Sinn am absoluten Nullpunkt. Alle Prozesse in den Molekülen der Materie zum Stillstand gekommen.
    Lediglich unterm Einfluß der durch Quantenfluktuationen bedingten Nullpunktenergie hatte sich die Materie im Verlauf einer Zeitspanne von unüberschaubarer Dauer noch verändert. Jene Elemente, die leichter als Eisen gewesen waren, hatten sich zu immer schwereren Atomen verschmolzen, bis sie völlig aus Eisen bestanden. Auch die schwerer als Eisen gewesenen Elemente waren letzten Endes durch radioaktive Spaltung und Abstrahlung von Alphapartikeln restlos zu Eisen geworden.
    Es gab keine Art von Materie mehr außer Eisen.
    Inmitten der trostlosen Dunkelheit kreisten massive Eisensterne, eisige und vollkommen blanke Kugeln; ähnliche eiserne Asteroiden durchmaßen das harsche Schwarz, das mittlerweile zum Medium des kosmischen Kontinuums gediehen war; punktuell vertieften Schwarze Zwerge aus Eisen und mit geringer Masse das Dunkel des Weltalls wie eine Perforation.
    Doch selbst diese eisernen Himmelskörper hatten noch nicht ihren endgültigen Zustand erreicht. Die Schrumpfung von Eisensternen zu Neutronensternen hatte bereits überall eingesetzt, begleitet von explosionsartigen Neutrino-Strahlungsschauern. Zahlreiche andere Eisengestirne verwandelten sich explosionsartig in Schwarze Löcher.
    Das Universum war schwarz, eiskalt und ehern.
    Jedwedes Leben war vergangen. Die Biologie war tot. Alle -logien waren tot. Sogar die Geologie. Es gab nicht einmal mehr Stein.
    Der gesamte Kosmos war wüst und leer.
    Und dennoch ...
    Psionische Impulse, bar aller Menschen vertrauten emotionalen und intellektuellen Werte, durchzwitscherten die Tiefen des auf einen metallischen Nenner gebrachten Weltraums, modulierte Signale, die nur von intelligentem Leben stammen konnten – ferropsychischem Leben ...
     
    Als Clay die Augen aufschlug, war von seinen beiden Kontrahenten nirgends eine Spur zu entdecken. Er wußte nicht, ob sie von Sankt Damokles' Kollektivpsyche absorbiert worden waren;
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