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In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

Titel: In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn
Autoren: Ales Pickar
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dich.«
    Die Abwesenheit der Infusion machte mir zu schaffen. Am Rande der Ohnmacht nahm ich meine Umgebung kaum wahr. Wir glitten durch Krankenhausgänge, vorbei an Patienten, Krankenschwestern, Besuchern und Türen. Wie war er nur an Dr. Bondy vorbeigekommen? Dann waren wir in einem großen Schrank und ich fühlte, wie wir stiegen. Oder sanken wir?
    Das Leben... Vielleicht wirklich nur eine biomechanische Angelegenheit mit einigen Software-Finessen, wie dem Überlebenstrieb. Dann stirbt das Tier und alles ist vorüber. Es gibt nichts mehr, worüber wir sprechen sollten. Und wäre ich ein Mensch, der befähigt ist, der Welt große Dinge über das Universum, die Galaxien und über die Rätsel aus den Tiefen des Alls zu erzählen, würde es keine Rolle spielen, ob ich in einem Rollstuhl stecke oder nicht. Aber in diesem einen Augenblick, tendiere ich nicht dazu, meine Bedeutung auf dieser Welt zu überschätzen. Und es ist kein Psychotherapeut zur Stelle, um mich vom Gegenteil zu überzeugen. Um mir zu erklären, wie wichtig und wertvoll mein Leben ist. Es ist kein Priester da, um mir klarzumachen, wie groß die aufgeladene Schuld ist, falls ich mich nun, an dieser Stelle, gegen mein Leben vergehe. Es gibt diesen verrückten Penner in einem schmutzigen Trenchcoat, der mich gerade entführt. Und es gibt den Trip.
     
    Die Stadt ist schön. Die Lichter ziehen mich an. Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier bin, aber ich bin wohl aus einer kurzen Bewusstlosigkeit erwacht. Die Lichter verbinden sich zu Mustern. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich ganze Kaleidoskope vor meinen Augen. Muster, Muster und noch mehr Muster. Ich öffne die Augen wieder und bewege meinen Kopf. Die Lichter der Stadt bewegen sich entgegen der Kopfdrehung und hinterlassen dabei Streifen, als wären sie einzelne kleine Kometen.
    Plötzlich taucht ein Gesicht vor mir auf. Es ist dunkel und teuflisch. Es verdeckt die Lichter.
    Ich höre ihn etwas sagen. Aber ich kann nichts verstehen. Jemand benetzt meine Lippen. Ich trinke mehr und versuche mich auf die Worte zu konzentrieren.
    »Wir sind auf dem Dach des Krankenhauses. Du hast es bald geschafft.«
    Er greift in mein Gesicht und zieht meine Augenlider auseinander.
    »Die Pupillen eines Jaguars. Das LSD wirkt. Hab vergessen dir zu sagen, dass die Dosis ungefähr fünffach ist«, höre ich ihn am Ende eines Tunnels sichtlich erfreut rufen. »Aber high zu sein ist nur ein Teil der Arbeit.«
    Ich lalle etwas. Nichts ergibt mehr Sinn. Nur wenn ich die Lichter ansehe, ahne ich die wärmende Gewissheit eines Zusammenhangs.
    »Gibt es keinen anderen Weg, Paul Lichtmann?!« jammere ich und fühle mich plötzlich wie ein kleines Kind. »Müssen wir denn sterben?«
    »Es gibt keinen anderen Weg«, erwidert Lichtmann und sieht mir in die Augen. »Du schenkst mir deine Angst und ich schenke dir die Ewigkeit. So wird es laufen, in Ordnung?«
    Lichtmann kniet neben mir und hält meine Hände in den seinen. Es ist seltsam. Durch die Droge sieht er anders aus. Jeder sieht durch LSD anders aus, doch er ist noch andersartiger als andersartig. Er wirkt wie ein riesiger Salamander in einem Trenchcoat.
    »Konzentriere dich!« ruft plötzlich der Riesenlurch. Seine Zunge schnalzt und peitscht vor meinen Gesicht. »Niemand hat gesagt: was nun geschieht, besäße keine Logik. Bist du bei mir, Jan-Marek? Bist du bei mir?«
    »Niemand nennt mich Jan-Marek«, antworte ich aufgedreht. »Marek reicht vollkommen.«
    »Weißt du woher der Name kommt?«
    Ich schüttle den Kopf und meine Finger krallen sich in die Armstützen des Rollstuhls.
    »Johannes Markus war der volle Name des Evangelisten Markus«, erklärt Lichtmann, als ob es in dieser Situation jemanden interessierte. »Er war der erste Bischof von Alexandria. Du solltest wissen, dass das Christentum eigentlich von den Dämonen erfunden wurde. Sie hatten mehrere Anläufe genommen, es zu etablieren. Der Mithras-Kult war wohl der erfolgreichste Versuchslauf. Doch die Engel hatten alles sabotiert und ihren eigenen Heiland aufgestellt. Sie kopierten, was an den dämonischen Versuchen funktionierte und ließen raus, was ein Problem war...«
    »Ist ja sehr spannend«, rufe ich in den Wind, der in meinen Ohren ständig seine Tonlage von tiefbrummend zu hochpfeifend verändert, und versuche die Halos zu überwinden. Natürlich vergeblich. Fünffache Dosis. Ich könnte jetzt ein Kilo Hasch kiffen und würde vermutlich nichts merken.
    »Bleib bei mir!« Der Salamander
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