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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen
Autoren: John Saul
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ihre Eltern aus traurigen großen Augen an wie ein verschrecktes Tier. Mary kamen die Tränen: Kelly hatte Angst, dass die Eltern ihr böse sein könnten.
    Mary drängte die Tränen zurück. Sie rang sich ein Lächeln ab. »Wie geht es dir?«
    Kelly leckte sich nervös die Lippen. Ihr Blick glitt zur bandagierten Hand. »Okay.«
    »Möchtest du uns etwas sagen?« fragte Ted.
    Und wieder zuckte Kellys Zunge über die Lippen. Sie schüttelte den Kopf, ohne den Vater anzuschauen.
    »Also, dann gibt’s wohl nicht viel zu reden, nicht wahr?« sagte Ted. Kelly versank ein ganz klein wenig tiefer in den Kissen, blickte dann aber hoch.
    »Seid ihr mir sehr böse?« fragte sie mit zitternder Stimme.
    Ted schwieg. Mary konnte seinem Gesicht ansehen, was in ihm vorging, doch er brachte ein Lächeln zustande. »Ich wüsste nicht, was es helfen könnte, dir böse zu sein. Ich kann nur vermuten, dass du auf deine Mutter und auf mich und vielleicht sogar auf dich selbst eine Riesenwut gehabt haben musst. Aber du brauchst wegen der Geschichte keine Angst zu haben. Du brauchst überhaupt keine Angst zu haben.« Er beugte sich über seine Tochter und gab ihr einen Kuß auf die Stirn. »Schlaf jetzt ein bißchen! Wir sind für dich da.«
    Mary blieb ein paar Minuten länger und küßte Kelly auf die Wange. »Ich liebe dich.«
    Kelly gab keine Antwort, sondern starrte ihre Mutter nur mit dem merkwürdigen, ausdruckslosen Blick an, den Mary noch nie hatte ergründen können. Es war ein Blick, der Mary manchmal fragen ließ, ob ihre Tochter überhaupt etwas empfand.
    Das fragte sie sich an diesem Abend erneut.
    An der Glastür des Eingangs drehte Mary sich um, als hinter ihr eine Tür aufging und wieder geschlossen wurde. Sie sah den Arzt näherkommen und kehrte deshalb zu dem Sofa zurück; Ted hatte sich erhoben; sie hakte sich bei ihm ein. Der Arzt gab ihnen ein Zeichen, sich zu setzen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sonst niemand im Warteraum war. Er nahm ihnen gegenüber in einem Sessel Platz.
    »Wie steht es um Kelly?« fragte Mary. »Hat sich noch etwas...?«
    Der Arzt hob beschwichtigend die Hände. »Es geht ihr gut«, sagte er und fügte, im Bewusstsein der unangemessenen Worte, rasch hinzu: »Das heißt, in Anbetracht der Umstände.«
    Ted lehnte sich vor. »Hat sie darüber gesprochen, Herr Doktor...?« Ihm versagte die Stimme.
    »Ich heiße Hartman. Ja, sie hat gesprochen.« Er machte eine nachdenkliche Pause, traf dann aber eine Entscheidung. »Es scheint, dass sie abtreiben wollte.«
    Mary verschlug es den Atem. Als sie sich an Teds Arm klammerte, spürte sie die Muskelverkrampfung.
    »Abtrei...«, hauchte sie. »Wollen Sie damit sagen, dass sie gar nicht versucht hat, sich...« Sie konnte es nicht gleich aussprechen, »... das Leben zu nehmen?«
    Hartman schüttelte den Kopf. »Ich denke, beides trifft zu, Mrs. Anderson.« Er blickte von Mary zu Ted und wieder zurück. »Ich fürchte, ihre Tochter hat schwere Probleme.«
    »Nicht so große Probleme, wie der Junge haben wird, der ihr das Kind gemacht hat«, erwiderte Ted zornig. »Sie ist kaum sechzehn. Wenn ich den schnappe...«
    Hartman hob von neuem die Hände, diesmal aus Protest. »Beruhigen Sie sich, Mr. Anderson. Es ist nämlich so: Kelly ist gar nicht schwanger. Ich habe sie gründlich untersucht, und es gibt keinen Zweifel - soweit ich feststellen kann, hat Ihre Tochter noch nie Geschlechtsverkehr gehabt.«
    Ted war die Verwirrung anzumerken. »Ich... das verstehe ich nicht. Sie haben doch gerade gesagt...«
    »Ich weiß, was ich gesagt habe. Ich kann Ihnen nur eins sagen: Ihre Tochter hat geglaubt, schwanger zu sein. Sie hat Angst davor gehabt, es einem von Ihnen beiden zu sagen; auch weil sie nicht wusste, wann oder wie es dazu gekommen ist. Und deshalb hat sie sich umbringen wollen.«
    Mary schloss die Augen, wie um Hartmans Worte nicht wahrhaben zu müssen. »Du lieber Gott!« flüsterte sie. »Warum hat sie denn nicht mit uns gesprochen?« Aber sie kannte die Antwort - wegen der Adoption. Sie hatten alles versucht und Kelly trotzdem nie von ihrer Liebe überzeugen können. Mary gestand sich nun widerwillig ein, dass Kelly vom Moment ihres Wissens um die eigene Adoption mit dem Erscheinen und dem Anspruch ihrer >richtigen< Eltern rechnete und sich in der Zwischenzeit weigerte, Mary oder Ted zu lieben oder ihnen zu vertrauen. Mary traten Tränen in die Augen. »Warum hat sie uns nicht um Hilfe gebeten?«
    Hartman schüttelte hilflos den Kopf. »Sie hat
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