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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen
Autoren: John Saul
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beherrschte sie; er befahl ihnen. In seiner glühenden Wut riß er die Eingangstür des Hauses auf.
    Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
    Die Kinder standen Hand in Hand im Halbkreis und hielten den Blick auf ihn gerichtet.
    Im Zentrum des Halbkreises stand Michael Sheffield.
    Sein eigener Sohn.
    Das fürchterliche Geheul der Kinder ließ nach, als sie den Schwarzen Mann vor sich sahen.
    Heute nacht trug er jedoch keine Maske; sie konnten ihn erkennen.
    Sie bewegten sich auf ihn zu, und an Stelle der Angst, die sie stets vor ihm empfunden hatten, war etwas anderes getreten.
    Gier.
    Gier und Hass.
    Der Halbkreis wurde erweitert und ließ ihm keinen Ausweg, nur rückwärts ins Haus. Doch als Phillips über die Schulter schaute, sah er im Foyer des Hauses weitere stumm drohende Kinder, die ihm auch diesen Fluchtweg abschnitten. Sie drängten nach vorn, zwangen ihn hinaus in die dunkle Nacht, bildeten mit den anderen zusammen einen Kreis. Der Kreis war geschlossen.
    Im Zentrum des Kreises stand angsterfüllt Warren Phillips.
    Der Schwarze Mann.
    Michael Sheffield trat ihm entgegen und blieb unmittelbar vor ihm stehen.
    Die Blicke von Vater und Sohn trafen sich.
    »Wir wollen, was unser ist«, sagte Michael leise.
    Als Warren Phillips von einer alles verzehrenden Furcht erfasst wurde, zog Michael ein Messer aus dem Gürtel.
    Er hielt es hoch; die blanke Klinge glänzte hell im Mondschein. Und gerade als sie sich zur Kehle des Schwarzen Mannes senkte, hielt Michael inne.
    »Mach schon!« sagte Phillips. Er war wie betäubt, und seine Stimme wurde heiser, als er den Grund für Michaels Zögern begriff. Die Angst, die ihn vor einigen wenigen Minuten gepackt hatte, hatte seinem Körper die Hormone entzogen, welche ihn so viele Jahre jung erhalten hatten.
    Er konnte bereits die schleichenden Schmerzen in seinen Gelenken und das Ziehen in den Lungen spüren. Und mit der Erkenntnis dessen, was in seinem Innern vorging, wuchs die Angst und beschleunigte seinen körperlichen Verfall noch. Er starb von innen her. Er wusste, wie schmerzvoll es sein würde; denn er hatte es seit langem so eingerichtet, dass bei ihm von allen künstlich erhaltenen Organen Herz und Lungen erst ganz zuletzt aussetzen würden. Und das Hirn. Wenn also sein Knochengerüst brüchig würde und in sich zusammenfiele, würde er dies mit vollem Bewusstsein erleben. Wenn Leber und Nieren versagten, würden die Schmerzen ihn zerreißen; und selbst das stärkste Mittel würde seine Agonie nicht lindern können. Wenn er Glück hätte, würde er einen Schock erleben, würde sein Gehirn sich weigern, den Schmerz zu akzeptieren, der in seinem Leib wütete. Und wenn er kein solches Glück hätte...
    »Bitte!« flehte er. »Nicht auf die Weise! Töte mich! Töte mich gleich!«
    Doch Michael Sheffield wandte sich ab, und in der Stille der Nacht sahen er und Kelly und all die anderen Kinder ihn langsam sterben, und als sein Gesicht sich zu der Fratze des Todes verzerrte, die Kelly so lange verfolgt hatte, begann eine ganz neuartige Wärme ihren Körper zu durchströmen. Als er zu Boden sank, füllten sich Kellys Augen, die seit den ersten Tagen ihres Lebens trocken geblieben waren, übervoll mit Tränen. Und im Gefühl neuen Lebens ließ Kelly Andersen ihnen freien Lauf.
     
    Amelie Coulton schlich nach draußen auf die Veranda ihrer Hütte. Der Mond stand hoch oben am Himmel. Der Sumpf war von einem schwachsilbrigen Licht erhellt, unter dem das Wasser flimmerte und die Schatten wie schwarze Derwische tanzten, die jemand verschlingen könnten, der ihnen zu nah käme.
    Doch in dieser Nacht empfand Amelie vor den Schatten keinerlei Angst. Diese Nacht war anders als die Nächte, in denen jeder Mensch im Moor die Gefahr gespürt hatte und im Haus geblieben war.
    Das waren die Nächte des Schwarzen Mannes gewesen, die Nächte, wenn seine schwarzgewandete Gestalt sich im Moor aufgehalten hatte und seinen Zauber über die Kinder warf, die ihm dienten.
    In dieser Nacht aber hatte sie seine Nähe nicht gespürt, selbst dann nicht, als sie aus dem Fenster geschaut und Boote still an ihrem Haus vorbeigleiten gesehen hatte, Boote, in denen Kinder des Schwarzen Mannes ruderten, die ihren Weg durch das Dunkel zu einem unbekannten Ort nahmen.
    Und dann hatte sie das Heulen gehört, das die Nacht zerrissen hatte, immer wieder, einmal hier, einmal dort. Amelie klang es wie das Schreien von Dämonen, doch aus einem ihr unerklärlichen Grund hatten diese Laute, die ihr
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