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In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers
Autoren: Megan McFadden
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trägt einen schwarzen Kettenpanzer, der an der Schulter zerrissen ist. Seine Arme sind bemalt, und um den Hals hat er einen goldfarbigen Ring ...“
    Thore musste grinsen. Der kleine Mönch hatte sich den Feind recht genau angesehen – vermutlich aus einem sicheren Versteck heraus.
    „Seine Augen?“
    „Sie sind hell und durchscheinend wie Wasser. Das eine Lid hängt ein wenig herab ...“
    Es gab keinen Zweifel – das war Sigurd, der Däne. Thore knirschte mit den Zähnen, denn es war nicht das erste Mal, dass ihre Wege sich kreuzten. Das Schicksal schien ihnen bestimmt zu haben, immer wieder aufeinanderzutreffen und ihre Kräfte zu messen, denn auch der Däne zog den Sommer über umher, um Beute zu machen. Im vergangenen Jahr hatte er Thore in Irland hinterrücks überfallen und ihm einen Teil der erbeuteten Schätze abgejagt. Seitdem hatte Thore gehofft, an seinem Widersacher Rache nehmen zu können.
    „Was machen wir mit ihm?“, fragte Ubbe.
    Er meinte den kleinen Mönch, der wie ein Häufchen Unglück auf dem Boden kniete und sein Schicksal erwartete. Thore blickte unschlüssig auf ihn herab, der Bursche tat ihm leid.
    „Lass ihn laufen“, befahl er. „Auch die anderen. Wir werden den steinernen Altar stürzen.“
    Es machte einige Mühe, den großen, viereckig gehauenen Granitblock anzuheben, und Thore, der eifrig dabei mit anpackte, musste all seine Kraft dabei einsetzen. Man stützte den Stein auf einer Seite mit hölzernen Balken ab, dann war es leicht, ihn mit einem letzten Kraftaufwand umzukippen. Thore hatte ganz recht vermutet – unter dem Altar gab es eine Nische, in der einige Gegenstände verwahrt waren, die man sorgsam in ein leinenes Tuch eingebunden hatte. Thores Männer jubelten, rissen den Stoff auseinander, und die silbernen Schalen, Kannen und Leuchter gingen von Hand zu Hand, um sie untereinander aufzuteilen.
    Thore befahl, den Schatz auf sein Schiff zu bringen, denn er wollte verhindern, dass die Männer miteinander in Streit gerieten. Das Silber war ihm momentan gleichgültig, denn der Sinn stand ihm nach anderen Dingen.
    Nur von Ubbe begleitet, stieg er die steinerne Treppe des Klostergebäudes hinauf. Dort oben gab es einen langen, kahlen Raum, in dem die Mönche aßen und auch schliefen. Thore trat an eine der schmalen Fensternischen und sah hinaus.
    Man hatte von hier aus einen weiten Blick über das Land. Flache Grasflächen dehnten sich aus, dazwischen kleine Gehöfte, Häuschen, aus braunem Granitgestein erbaut und von viereckigen Feldern umgeben. Weiter rechts wurde der Bewuchs dichter, dort musste der Fluss verlaufen, an dessen Mündung sie vorhin vorübergesegelt waren. Ganz im Hintergrund zeigte sich die dunkle Masse eines weiten Waldgebietes.
    Sigurd hatten den Klosterschatz also nicht gefunden. Thore grinste zufrieden und begann sofort zu grübeln. Wie er seinen Widersacher kannte, würde der sich mit diesem Misserfolg nicht so einfach zufrieden geben, schon öfter war Sigurd zweimal am gleichen Ort aufgetaucht, um von den verzweifelten Überlebenden zu erpressen, was ihm beim ersten Überfall entgangen war. Vermutlich war Sigurd erst einmal östlicher Richtung längs der Küste weitergefahren, denn nach Westen zu war nicht viel zu holen. Doch im Osten würde er irgendwann auf das Einflussgebiet des normannischen Herzogs Wilhelm Langschwert stoßen, der seine Besitzungen zu verteidigen wusste. Sigurd würde sich gewiss nur ungern auf einen Kampf mit den Normannen einlassen – stattdessen würde er umkehren und sich noch einmal das Kloster vornehmen. Thore bezwang die fiebrige Unruhe, die ihn jetzt überkam, und überdachte alles noch einmal ganz genau – wenn seine Überlegungen richtig waren, dann konnte es gut sein, dass Sigurds Drachenboote bald an der Küste auftauchen würden.
    Thore gelüstete es unbändig nach einem Kampf gegen den Dänen, doch er musste vorsichtig sein, denn der Gegner war stark. Das Klügste war, ein Stück flussaufwärts zu rudern und vorerst ein Versteck im Waldesinneren zu suchen, damit der Däne ihn nicht überraschen konnte. Er würde Odins starken Beistand benötigen, wenn er Sigurd besiegen wollte.
    ***
    Die List war vorzüglich, denn als sie den Fluss hinaufruderten, schien der Wald tief und nahezu undurchdringlich. Thore suchte eine seichte Uferstelle aus, um die schmalen, leicht gebauten Wikingerdrachen an Land ziehen zu können, wo man sie mit Zweigen bedeckte. Langsam und mit großer Vorsicht drangen die Wikinger in den Wald
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