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In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers
Autoren: Megan McFadden
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hinübersprang und geräuschlos in einer Höhlung des glatten Stammes verschwand.
    „Wenn er uns nicht mehr schützt“, meinte sie beklommen zu Rodena. „Was wird dann aus uns werden?“
    Rodena schüttelte lächelnd den Kopf und strich dann das lange Haar zurück, das ihr kitzelnd an den Wangen klebte. Die feuchte Wärme des Waldes ließ auf ihrer Stirn winzige Schweißperlen entstehen.
    „Es wird Unruhen und Kämpfe geben“, meinte sie. „Doch auch Bündnisse und Friedensschlüsse. Mach dir keine Sorgen, Mutter. Ich weiß, dass Thore sich behaupten wird, auch ohne meinen Vater wird er unser Land festigen und bewahren.“
    Kira wischte verstohlen die Tränen fort und blickte voller Stolz auf ihre Tochter, die so mutig und voller Tatendrang in die Zukunft sah. Wenn Thore dieses alles vollbringen würde, dann nur deshalb, weil Rodena ihm mit ihrer Klugheit und der Macht ihrer Göttin zur Seite stand. Rodenas Gang war nicht mehr so leicht wie noch vor einigen Monaten, ihr Gewand bauschte sich, und ihre Züge hatten einen neuen, zärtlichen Ausdruck bekommen.
    „Das muss Thore auch“, stimmte Kira ihr zu. „Schon um des neuen Lebens willen, das in dir heranwächst.“
    „Oh, es wächst nicht nur“, lachte Rodena und legte die Arme um ihren angeschwollenen Leib. „Es tritt mit den Beinen und stößt mit den Fäusten – ich fürchte, es wird ein wilder Bursche, wie sein Vater es ist.“
    Sie blieben einen Augenblick stehen, denn tatsächlich hüpfte das Kind so heftig in Rodenas Bauch, dass sie sich mit vergnügtem Lachen gegen einen dicken Stamm lehnen musste. Kira spürte die Bewegungen des Kindes mit ihren Händen, freute sich an seiner Lebendigkeit, und ihre Trauer schwand dahin.
    „Ein Wikinger?“, meinte sie lächelnd. „Vielleicht. Möglicherweise aber auch eine kleine Druidin.“
    Rodena kicherte, denn sie wusste genau, dass Thore sich einen Sohn wünschte. Zumindest ihr erstes Kind sollte ein Knabe sein – danach konnte sie seinetwegen auch eine Tochter in die Welt setzen, so hatte er ihr verkündet.
    „In einigen Wochen werden wir es wissen“, sagte sie leichthin und stieß sich von dem Stamm ab, um den Weg fortzusetzen.
    Die Lichtung, die Thores Burg umgab, war von grünendem Buschwerk bewachsen, dazwischen fanden sich Inseln von saftigem Gras, gelbe und weiße Blumen leuchteten darin, Käfer und Bienen summten von Blüte zu Blüte. Thore hatte seine Burg an der gleichen Stelle wiedererrichtet, wo seine erste Festung zerstört worden war. Die hohen Palisaden waren wieder aufgebaut, zwei viereckige Türme umgaben das Tor, und auf den Trümmern der verbrannten Gebäude hatte man neue, feste Häuser gebaut. Ohne die Hilfe des normannischen Herzogs wäre ihm dieser Kraftakt nicht gelungen, denn Wilhelm Langschwert hatte sie nicht nur mit Lebensmitteln, Gewändern, Gerätschaften und Zugtieren versorgt, er ließ auch die Geiseln frei, und so hatte Thore viele Helfer für seine Arbeit gefunden. Den Winter über waren fast alle Wikinger mit dem Bau der Burg beschäftigt gewesen, sie waren damit zufrieden, denn es gab reichlich Nahrung, und ihre Unterkünfte schufen sie sich selbst. Im Frühling jedoch hatte so mancher der Nordmänner sich dafür entschieden, weiterzuziehen oder in die Heimat zurückzukehren, und nur einige waren geblieben. Darunter waren der junge Olav, Erik, Torben und auch Halvdan, der seine Leidenschaft für eine normannische Bäuerin entdeckt hatte und eifrig um sie warb.
    „Schau dir das an!“, rief Rodena und blieb stehen. „Thore hat tatsächlich nachgegeben und seinen Zorn gegen Ubbe begraben.“
    Vor dem weit geöffneten Palisadentor wimmelte es von Menschen. Männer, Frauen und Kinder aus den Dörfern, über die Thore jetzt Herr war, hatten sich eingefunden, man hatte aus Brettern und Stämmen Tische gebaut, sie mit Blumen und Zweigen geschmückt, und die Frauen trugen Schüsseln mit dampfendem Brei, eingelegten Früchten, Fisch und frischem Backwerk auf. Kira entdeckte Papia im leuchtend blauen Gewand, einen Kranz aus Blüten ins blonde Haar geflochten, Ubbe hatte sich mit gelben Pluderhosen und einem grünen Wams geschmückt. Alles dies, auch die Lebensmittel, waren Geschenke des normannischen Herzogs, der sehr zufrieden gewesen war, als er vernahm, dass Ubbe, der Wikinger, sich zum christlichen Glauben bekannt hatte.
    Ubbe hatte es Papia zuliebe getan, die genau wie Rodena hoch in den Wochen war und ihn angefleht hatte, ihr Kind nicht als Heiden aufwachsen zu
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