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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht
Autoren: Anne Perry
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auf dem Stuhl nieder, der für ihn gebracht worden war. Mit liebenswürdiger Neugierde betrachtete er Hester. »Stehen Sie ebenfalls mit der Armee in Verbindung, Ma’am?«
    »Ja, das tut sie tatsächlich!«, rief Casbolt begeistert. »Sie hatte eine bemerkenswerte Karriere… zusammen mit Florence Nightingale. Ich bin sicher, dass Sie von ihr gehört haben.«
    »Aber natürlich habe ich das.« Trace lächelte Hester an.
    »Ich fürchte, in Amerika sind wir dieser Tage verpflichtet, uns mit allen Aspekten des Krieges zu befassen. Ich wage zu behaupten, Sie wissen das. Aber ich bin sicher, das ist kein Thema, das Sie während des Dinners zu diskutieren wünschen.«
    »Sind Sie nicht gerade deswegen gekommen, Mr. Trace?«, fragte Merrit mit kalter Stimme. »Sie sind doch nicht der Gesellschaft wegen gekommen. Sie gaben ja zu, dass Sie sich bei Ihrem Besuch im Datum geirrt hatten.«
    Trace errötete. »Ich weiß nicht, wie mir das passieren konnte. Aber ich habe mich dafür entschuldigt, Miss Alberton.«
    »Das weiß ich auch nicht!«, sagte Merrit. »Ich kann mir nur vorstellen, Sie machten sich Sorgen, Mr. Breeland könnte meinen Vater schließlich doch noch von der Gerechtigkeit seiner Sache überzeugen und Sie wären dann ohne den Geschäftsabschluss, den Sie zu tätigen erwarteten.« Dies war eine eindeutige Herausforderung, und Merrit machte keinerlei Konzessionen an die Höflichkeit. Ihre leidenschaftliche Überzeugung klang so aufrichtig, dass sie sie fast aller Grobheit beraubte.
    Casbolt schüttelte den Kopf. Er sah Merrit geduldig an.
    »Du weißt es doch wirklich besser, meine Liebe. Wie tief deine Überzeugung auch sein mag, du kennst deinen Vater besser, als dass du glauben könntest, er würde wegen eines anderen sein Wort brechen. Ich hoffe, Mr. Trace weiß das auch. Und wenn nicht, dann wird er es bald erfahren.« Er sah Monk über den Tisch hinweg an. »Sir, wir müssen uns bei Ihnen entschuldigen, bei Ihnen ebenso«, sagte er mit einem kurzen Blick auf Hester. »Dies muss Ihnen alles unerklärlich hitzig erscheinen. Ich wage zu behaupten, dass niemand es Ihnen erklärt hat. Daniel und ich sind Händler und Spediteure, unter anderem. Jetzt, da sich die Vereinigten Staaten im Krieg befinden, was bedauerlicherweise so ist, sind Schusswaffen guter Qualität äußerst gefragt. Männer sowohl aus der Union als auch aus den Südstaaten durchkämmen Europa und kaufen alles an Waffen auf, was sie bekommen können. Die meisten der verfügbaren Waffen sind sehr wahrscheinlich minderwertig und explodieren aller Voraussicht nach eher ihren Benutzern mitten ins Gesicht, als dass sie dem Feind Schaden zufügen würden. Einige davon haben eine derart schlechte Zielausrichtung, dass man sich schon glücklich schätzen könnte, aus zwanzig Schritt Entfernung die Breitseite einer Scheune zu treffen. Verstehen Sie etwas von Schusswaffen, Sir?«
    »Rein gar nichts«, erwiderte Monk aufrichtig. Wenn er je über ein derartiges Wissen verfügt hatte, dann war es mit dem Kutschenunfall vor fünf Jahren verschwunden, der ihn sämtlicher Erinnerungen aus früheren Zeiten beraubt hatte. Er konnte sich nicht erinnern, je einen Schuss abgegeben zu haben. Dennoch hatten Casbolts Erklärungen die Stimmungsturbulenzen, die Monk im Raum wahrgenommen hatte, klar gemacht, ebenso wie die Anwesenheit von Breeland und Trace und die bitteren Gefühle zwischen den beiden. Es hatte also nichts mit Merrit Alberton oder einem anderen Mitglied der Familie zu tun.
    Casbolts Gesicht glühte vor Begeisterung. »Das beste moderne Gewehr – nehmen wir zum Beispiel einmal das P1853, das Vorjahresmodell – besteht aus insgesamt sechzig Teilen, inklusive Schrauben und derlei Dingen. Es wiegt lediglich acht Pfund und vierzehneinhalb Unzen, ohne Bajonett, und der Gewehrlauf ist einen Meter lang. Es ist auf eine Entfernung von über achthundert Metern zielsicher, das entspricht über einer halben Meile.«
    Judith sah ihn mit einem leicht missbilligenden Blick an.
    »Aber natürlich!« Er entschuldigte sich, warf Hester und Monk einen Blick zu. »Es tut mir Leid. Bitte erzählen Sie uns doch etwas von Ihrem Beruf, wenn es nicht allzu vertraulich ist.«
    Sein Gesicht drückte ein derartig brennendes Interesse aus, dass es schwer vorzustellen war, er habe es aus purer Höflichkeit vorgetäuscht.
    Noch nie zuvor war Monk diese Frage bei einer Dinnergesellschaft gestellt worden. Normalerweise war es das Letzte, worüber die Herrschaften zu sprechen
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