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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht
Autoren: Anne Perry
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entgegnete Hester scharf, wobei sie weder nach rechts noch nach links blickte, um zu sehen, welcher Art anderer Leute Meinung sein mochte. »Allein die Idee finde ich verabscheuungswürdig!«
    Merrit entspannte sich, und über ihr Gesicht huschte ein bezauberndes Lächeln. Eine plötzliche Wärme strahlte von ihr aus.
    »Dann werden Sie ja vollkommen verstehen. Sind Sie nicht auch der Meinung, wir sollten alles tun, was in unserer Macht steht, um solch eine Sache zu unterstützen, wenn andere Menschen dazu bereit sind, dafür ihr Leben zu geben?« Wieder flogen ihre Augen einen Augenblick lang zu Breeland, der sie anlächelte, wobei ein schwacher Glanz der Freude auf seinem Gesicht lag. Sogleich wandte er den Blick wieder ab, befangen vielleicht, als ob er seine Gefühle im Zaum halten wollte.
    Hester war wachsamer. »Ich stimme natürlich damit überein, dass wir gegen die Sklaverei kämpfen sollten, aber ich bin nicht sicher, ob dies der richtige Weg ist. Ich gestehe, ich weiß nicht genügend über die Angelegenheit, um mir ein Urteil erlauben zu können.«
    »Das ist doch reichlich simpel«, antwortete Merrit, »wenn man die politischen Querelen und die Streitfragen bezüglich Landbesitz und Geld außer Acht lässt, steht man nur noch vor der Frage der Moral.« Dabei wischte sie mit der Hand durch die Luft, ohne zu bemerken, dass sie den Lakaien behinderte, der versuchte, das Entree zu servieren.
    »Es ist eine reine Frage der Aufrichtigkeit.« Wieder verwandelte ein reizendes Lächeln ihr Gesicht. »Würden Sie Mr. Breeland fragen, würde er Ihnen die Sache erklären, und dann könnten Sie sie mit solcher Klarheit sehen, dass Sie darauf brennen würden, mit Ihrem ganzen Herzen für die Sache zu kämpfen.«
    Monk warf einen Blick über den Tisch, um zu eruieren, was Daniel Alberton über die leidenschaftliche Loyalität seiner Tochter zu einem fünftausend Meilen entfernten Krieg dachte. Im Gesicht seines Gastgebers zeichnete sich ein Überdruss ab, der von zahlreichen solcher Diskussionen zeugte, die stets ohne Lösung geblieben waren.
    In den Londoner Zeitungen waren zahllose Artikel über Mr. Lincoln, den neuen Präsidenten, und über Jefferson Davis zu lesen, der zum Präsidenten der provisorischen Regierung der Konföderierten Staaten von Amerika gewählt worden war, jener Staaten, die während der letzten paar Monate von der Union abgesplittert waren. Lange Zeit hatten viele gehofft, einen regelrechten Krieg vermeiden zu können, während ihn andere tatkräftig förderten. Aber nach dem Bombardement von Fort Sumter durch die Konföderierten und dessen darauf folgender Kapitulation am 14. April hatte Präsident Lincoln fünfundsiebzigtausend Freiwillige aufgerufen, um für die Dauer von drei Monaten zu dienen, und hatte eine Blockade sämtlicher Häfen der Konföderierten vorgeschlagen.
    Zeitungen zufolge hatte der Süden einhundertfünfzigtausend Freiwillige aufgerufen. Nun befand Amerika sich im Kriegszustand.
    Was weit weniger offensichtlich war, war die Natur der Fragen, die auf dem Spiel standen. Für manche, wie Merrit, ging es einfach nur um Sklaverei. In Wahrheit schien es für Monk mindestens ebenso viel mit Grundbesitz zu tun zu haben, mit Wirtschaft und dem Recht des Südens, sich von einer Union zu trennen, deren Teil er in Zukunft nicht mehr sein wollte.
    Tatsächlich galt ein Großteil der Sympathien in England dem Süden, obwohl die Motive dafür auch gemischt und vielleicht suspekt waren.
    Albertons geduldige Worte klangen mühevoll, was sich einen Moment lang unverhüllt in seinem Gesicht abzeichnete.
    »Es gibt viele Streitfragen, meine Liebe, und einige davon stehen miteinander in Konflikt. Aber ich weiß von keinem Zweck, der unehrenhafte Mittel rechtfertigen würde. Man muss in Betracht ziehen –«
    »Es gibt nichts, was Sklaverei rechtfertigen würde!«, rief sie hitzig und schnitt ihm damit das Wort ab, ohne einen Gedanken an den Respekt zu verschwenden, den sie ihm schuldig war, vor allem in Gesellschaft. »Zu viele Menschen schützen Sophisterei vor, um sich dafür zu verteidigen, im Kampf nicht ihr Leben und ihren Besitz zu riskieren.«
    Judiths Hand umklammerte die Silbergabel, und sie warf ihrem Mann einen Blick zu. Breeland lächelte. Über Casbolts Gesicht huschte aufflammender Ärger.
    »Und zu viele Menschen ergreifen hastig für eine Sache Partei«, entgegnete Alberton, »ohne sich Zeit zu nehmen, abzuwägen, was ihr Parteigängertum einer anderen Sache kosten mag, die
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