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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht
Autoren: Anne Perry
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Verschwörerisch senkte er die Stimme.
    »Zweifellos werden wir während des Dinners mehr darüber hören – dieser Tage ist es vollkommen unumgänglich –, aber ich habe mehr als genug vom Krieg in Amerika und all seinen Streitfragen.«
    Albertons Gesicht strahlte. »Dasselbe gilt für mich, aber ich wette mit dir um einen guten Zweispänner, dass Breeland uns mit den Vorzügen der Union ergötzen wird, bevor der dritte Gang serviert sein wird.«
    »Der zweite!«, widersprach Casbolt und grinste Hester offen an. »Er ist ein sehr ernsthafter junger Mann, Mrs. Monk, und fanatisch von der moralischen Richtigkeit seiner Sache überzeugt. Für ihn ist die Union der Vereinigten Staaten eine göttliche Einheit und das Streben der Konföderierten nach Sezession das Werk des Teufels.«
    Jeglicher weitere Kommentar wurde durch die Notwendigkeit abgeschnitten, sich in den Speisesalon zu begeben, denn dort war man bereit, das Dinner zu servieren.
    Monk fand das Haus angenehm, obgleich er nicht sicher war, warum. Es hatte wohl etwas mit der Wärme der Farben und der Einfachheit der Proportionen zu tun. Den ersten Teil des Abends hatte er damit verbracht, sich mit Casbolt und Judith Alberton zu unterhalten, wobei Lyman Breeland lediglich einen gelegentlichen Kommentar abgab, da er eine lockere Unterhaltung als ermüdend zu empfinden schien. Breeland hatte zu gute Manieren, um dies unverhohlen zu zeigen, aber Monk erkannte dennoch, dass er sich langweilte. Er fragte sich, warum Breeland überhaupt erschienen war. Dieser Umstand erweckte Monks Neugier. Er blickte durch den Raum, und es schien eine sonderbar unvereinbare Gruppe von Menschen zu sein, er und Hester eingeschlossen. Breeland war Anfang dreißig, vielleicht ein oder zwei Jahre jünger als Hester.
    Die anderen mussten, abgesehen von Merrit Alberton, Mitte bis Ende vierzig sein. Warum hatte sie sich entschlossen, dem Dinner beizuwohnen, wenn sie sicherlich in Gesellschaft anderer junger Mädchen hätte sein können, oder gar bei einer Festlichkeit?
    Dennoch entdeckte er an ihr kein Anzeichen der Langeweile oder Ungeduld. War sie bemerkenswert wohlerzogen, oder gab es etwas, was sie dazu bewog, vorzugsweise hier sein zu wollen?
    Die Antwort erfolgte nach der Suppe, als der Fisch serviert wurde.
    »Wo leben Sie in Amerika, Mr. Breeland?«, fragte Hester unschuldig.
    »Unsere Heimat ist in Connecticut, Ma’am«, antwortete er, wobei er sein Essen ignorierte und sie direkt ansah.
    »Doch im Augenblick wohnen wir natürlich in Washington. Die Menschen strömen aus sämtlichen nördlichen Teilen der Union herbei, um sich der Sache wegen zu vereinigen, wie Ihnen zweifellos bekannt sein dürfte.« Ganz leicht hob er seine Augenbrauen.
    Casbolt und Alberton warfen sich einen kurzen Blick zu.
    »Wir kämpfen für das Ideal von Freiheit und Recht für alle Menschen«, fuhr Breeland leidenschaftlich fort. »Aus jedem Ort, jeder Stadt und sogar von Farmen, die weit im Landesinneren oder im Westen gelegen sind, strömen Freiwillige herbei.«
    Plötzlich erstrahlte Merrits Gesicht. Einen Moment lang sah sie Breeland mit glänzenden Augen an, dann flog ihr Blick zurück zu Hester. »Wenn sie gewinnen, dann wird es keine Sklaverei mehr geben«, verkündete sie. »Alle Menschen werden kommen und gehen können, wie es ihnen beliebt, und müssen niemanden mehr ›Master‹ nennen. Es wird einer der größten und edelsten Schritte sein, die die Menschheit je getan hat, und die Unionisten werden ihn tun, auch unter Einsatz ihrer Leben, ihrer Heime, oder was auch immer es sie kosten möge.«
    »Krieg kostet immer einiges, Miss Alberton«, erwiderte Hester sanft. »Welchen Grund er auch immer haben mag.«
    »Aber dieser Krieg ist etwas anderes.« Merrits Stimme hob sich hartnäckig. Sie beugte sich leicht über das erlesene Porzellan und das Silberbesteck, und das Licht der Kronleuchter schimmerte auf ihren blassen Schultern.
    »Hier haben wir es mit wahrem Edelmut und dem Opfer für ein großes Ideal zu tun. Es ist ein Kampf, um jene Freiheiten zu bewahren, um deretwillen Amerika gegründet worden war. Wenn Sie das alles wirklich verstanden hätten, Mrs. Monk, würden Sie für die Verteidigung dieser Sache ebenso viel Leidenschaft aufbringen wie diejenigen, die die Union unterstützen… außer natürlich, Sie befürworten die Sklaverei?« Aus ihr klang kein Ärger, lediglich Bestürzung darüber, dass jemand zu derlei fähig sein könnte.
    »Nein, Sklaverei befürworte ich keineswegs!«,
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