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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis
Autoren: Marjorie M. Liu
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verbrennen schien. Archies Atem ging rasselnd oder schrillte hoch, als seine Aura anschwoll und versuchte, mir zu entkommen.
    Aber so viel Glück hatte sie nicht. Der Dämon war jung und leicht auszutreiben. Ich zog ihn heraus und sah zu, wie sich sein gespensterhafter Körper wie vergifteter Rauch aus dem offenen Mund des Menschen wand. Archie erschlaffte. Rohw und Aaz ließen seine Beine los, während Dek und Mal von meinen Schultern glitten und sich über meine Arme zu meinen Händen schlängelten. Ihre winzigen Klauen stachen wie Stricknadeln in meine Haut und summten leise mit ihren hohen Stimmen Bon Jovis Social Disease .
    Als die letzte Rauchfahne des sich windenden Parasitenkörpers den Menschen verlassen hatte, hielt ich ihn in der Hand: Die weiche, kreischende Dunkelheit quoll durch meine Finger, und ich fühlte ihre beißende Kälte wie einen gefrorenen Netzhandschuh auf meiner Haut. Zee trat über Archies reglosen
Körper, und die anderen streckten ihre rasiermesserscharfen Krallen aus.
    Ich überließ ihnen den Dämon, konnte aber nicht zusehen, wie sie ihn fraßen.
    Stattdessen kniete ich mich neben Archie und fühlte seinen Puls. Er war kräftig und regelmäßig. Seine Lider flatterten zwar, doch er blieb ohnmächtig. Ich trat rasch zurück und wischte mir die nassen Handflächen an meiner Jeans ab. Ich wusste nicht, wie dieser Mann gewesen sein mochte, bevor ihn der Dämon besessen hatte. Aber ich vermutete, dass er nicht gerade zu der glücklicheren Sorte gehört hatte. Ausgeglichene, mental robuste Menschen wurden normalerweise nicht von Dämonen befallen. Das war viel zu viel Aufwand. Sie wiesen ja kaum Spalten und Risse auf, die man hätte ausnutzen können.
    Dieser Mann jedoch, Archie Limbaud, würde als Mörder aufwachen - und er würde es doch niemals erfahren. Dämonen hinterließen keinerlei Erinnerungen im menschlichen Geist ihrer Wirte. Nur Chaos und zerstörte Leben. Sowie Freunde und Familien, die einen nie mehr auf dieselbe Art und Weise betrachten würden.
    »Maxine«, schnarrte Zee, während er sich mit dem Rücken seiner scharfen Hand über den Mund fuhr. »Da, die Sonne kommt.«
    Ich wusste es ja. Ich konnte sie schon spüren, irgendwo hinter dem schwarzen Himmel unter dem Regen, wie sie langsam zum wolkenverhangenen Horizont hinaufkroch. Ich hatte nur noch ein paar Minuten, höchstens.
    »Telefon«, sagte ich zu Zee. Er gab Rohw und Aaz ein Zeichen und schnippte mit den Krallen. Die beiden strolchten am Rand des dunklen Parkplatzes entlang, verschwanden aber immer wieder im Schatten. Jetzt sprangen sie heran, so dankbar
wie junge Wölfe, und flüsterten etwas in Zees Ohren. Zee legte den Kopf schief und lauschte - einen Augenblick später streckte er dann seinen Arm aus.
    Ich sagte nichts, sondern ging nur weg, weg von Archie. Ich beeilte mich nicht, und ich sah auch nicht zurück. Ich hatte immer noch den Griff des Klappmessers in der Hand und schob ihn jetzt in mein Haar. Ich hörte, wie das Metall knirschte, als Mal kaute und schluckte. Ich hätte ihn auch zurücklassen können, als Beweisstück.
    Aber ich wollte, dass der Mann eine zweite Chance bekam. Ich wünschte mir, dass er aufwachte, verwirrt und mit einer Gedächtnislücke, aber ohne die Bürde eines Mordes, die auf ihm lastete. Das verdiente niemand, obwohl ich irgendwie das Gefühl hatte, als hätte er Blut an den Händen. Als wären seine Hände ebenso schmutzig wie meine. Ich rieb sie unaufhörlich an meiner nassen Jeans, und es kam mir so vor, als hinge mir Archie Limbauds Gestank immer noch an.
    Es blieb weiter ruhig, der Nieselregen machte die Straßen und die raue, zerbrochene Umgebung weicher. Ich sog die kalte Luft ein und genoss die Kälte meines nassen Haares, das sich an meine geröteten Wangen schmiegte. Die Jungs glitten durch die Schatten, bis auf das kurze Funkeln ihrer roten Augen unsichtbar. Ich wischte mir immer weiter die Hände ab und dachte an das tote Mädchen. Und an meine Mutter. Sie hatte mich davor gewarnt, bevor sie starb. Sie hatte mir gesagt, dass es genau so kommen würde. Es würde immer Opfer geben. Überall gab es Opfer. Und ich würde niemals schnell genug sein. Ich würde immer nur hinterherlaufen.
    Zwei Blocks weiter fand ich eine Telefonzelle. Ein verbeultes Relikt, das vollkommen von Graffiti bedeckt war. Ich wählte die 911 und hinterließ eine kurze Nachricht in der Zentrale.
Ein toter Teenager, ermordet, einige Blocks südlich vom Safeco Field. Dann legte ich auf. Ich wischte
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