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in China

in China

Titel: in China
Autoren: Dorothy Gilman
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beruhigte sie sich wieder etwas, ihr Schluchzen wurde milder, und sie hörte auf, mit den Fäusten auf die Kissen loszudreschen.
    Sie richtete sich auf, ein allerletzter Schluchzer entrang sich ihr. Sie sah Mrs. Pollifax an.
    »Aber warum nur?« fragte sie wie ein kleines Kind. »Und warum alle beide? Noch dazu durch einen Streit, bei dem es wieder mal um Iris ging!«
    Da fühlte sich Mrs. Pollifax plötzlich ganz hilflos. Sie hatte sich so darauf konzentrieren müssen, Mr. Chang und Mr. Pi dies zu beweisen, so daß sie ganz vergessen hatte, daß auch ihre Reisegefährten hinfort damit würden leben müssen. »Aber Sie weinen ja gar nicht um Peter oder um Joe Forbes«, sagte sie ganz sanft. »In Wahrheit weinen Sie um Jenny, stimmt's?«
    Das Mädchen wurde feuerrot. »Was ist denn so schlimm daran, daß man glücklich sein möchte?« erwiderte sie. »Peter hat mich gern gehabt, das weiß ich ganz genau. Es hätte ein Happy End geben können, das steht fest, wenn er nicht umgekommen wäre.«
    Mrs. Pollifax mußte daran denken, daß die Menschen aneinander vorbeiglitten wie Schiffe in der Nacht, daß sie sich Illusionen hingaben und Wunschträume hegten. Das Leben war voller Mißverständnisse, und nur wenige erkannten, wie es sich wirklich verhielt. Sie erwog, Jenny ihre Illusion zu lassen, doch verwarf sie den Gedanken rasch. Manchmal war es
    menschenfreundlicher, erbarmungslos zu sein. »Glauben Sie das wirklich, Jenny?« fragte sie.
    Jenny sagte angriffslustig: »Ich weiß gar nicht, warum Sie daran zweifeln. Sie haben doch selbst gesehen, daß wir ständig zusammen waren. Er mochte mich.«
    »Es werden Sie noch viele Männer mögen«, wandte Mrs. Pollifax ein.
    »Langsam zweifle ich daran«, murmelte Jenny verbittert. »Irgend etwas läuft immer schief.
    Mit Bill war ich zum Beispiel ein halbes Jahr verlobt, wir sind zusammen mit dem Rucksack auf dem Buckel durch ganz Europa getrampt. Wir wollten heiraten, doch dann hat er sich in eine andere Frau verliebt. Und jetzt das mit Peter. Sie sind schon älter und haben viel mehr Lebenserfahrung. Sie müßten mir doch sagen können, warum es nie ein Happy End gibt?«
    »Weil es so was wie ein Happy End überhaupt nicht gibt«, sagte Mrs. Pollifax mit
    nachdenklicher Miene. »Es gibt nur ›happy people‹. Es liegt ganz bei einem selbst, ob man glücklich ist und andere glücklich zu machen versteht.«
    Jenny starrte sie verwundert an. »Glücklich sein - aber wie kann man das denn ohne Happy End?« Sie fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen.
    »Das muß aus einem selbst kommen«, erklärte Mrs. Pollifax.
    »Aus Ihnen, Jenny, und nicht von außen her. Nicht von anderen Menschen, sondern aus Ihnen selbst. Sie hassen Iris wegen ihrer unverwüstlich guten Laune, neiden ihr sogar die Lebensfreude, doch Sie könnten so manches von ihr lernen. Wenn Sie sich erst mal
    überwinden und sich mit ihr unterhalten, werden Sie erfahren, daß Iris dreimal mit Männern verheiratet war, die sie allem Anschein nach ganz abscheulich behandelt haben. Als dieses traurige Kapitel abgeschlossen war, ist sie allen Widrigkeiten zum Trotz aufs College gegangen und hat sich ihren Lebensunterhalt als Go go-Girl verdient.«
    »Iris?« Jenny konnte es nicht fassen. »Aber wie kann sie dann - ich begreife das nicht.«
    »Nein, das begreifen Sie nicht«, sagte Mrs. Pollifax ganz ruhig. »Das ist ja eben Ihr Problem.
    Hören Sie doch endlich auf, vor Selbstmitleid zu zerfließen. Zwischenmenschliche
    Beziehungen sind schließlich keine geschäftlichen Transaktionen. Stehen Sie doch endlich auf und tun Sie etwas! Es gibt Leute, die nie erwachsen werden, aber man sollte es wenigstens versuchen, Jenny. Jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen, mein Handgelenk tut furchtbar weh. Ich glaube, ich werde es ein Weilchen irgendwo auf ein weiches Kissen betten.«
    Jenny wurde rot. »Oh Gott - Ihr Handgelenk! Das habe ich ja ganz vergessen. Was ist denn damit, Mrs. Pollifax? Ist es gebrochen? Tut es sehr weh?«
    Mrs. Pollifax lächelte nur kurz und ging zur Tür. »Bis später, Jenny«, sagte sie und ging.
    Als sie die Tür aufmachte, sah Malcolm auf und sagte gut aufgelegt: »Die Sepos scheinen ja einen Narren an Ihnen gefressen zu haben. Es muß schon ewig her sein, seitdem wir uns zuletzt gesehen haben. Was macht Ihr gebrochener Flügel?«
    »So ein Gipsarm ist schrecklich lästig und ermüdend«, erwiderte sie.
    Malcolm nickte. »Und dabei stand für heute ein Ausflug zum ›Himmlischen See‹ auf dem
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