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in China

in China

Titel: in China
Autoren: Dorothy Gilman
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wieviel Heu und Dung daraufhin im Wasser war. Kein Wunder, daß sich alle sterbenselend fühlen!«
    »Ein Glück, daß Sie davon nicht krank geworden sind«, sagte Mrs. Pollifax. »Haben Sie denn überhaupt geschlafen?«
    Iris wehrte ungeduldig ab. »Mir wird von gar nichts schlecht. Ich muß einen guten Magen haben. Nein, geschlafen habe ich nicht, aber das macht nichts. Wie war's denn beim Verhör?«
    »Nun, wie Sie sehen, bin ich noch immer frei. Sie haben mich nicht festgenommen.«
    Iris grinste. »Mr. Li hat mir erzählt, daß sich Joe und Peter meinetwegen in die Haare geraten sind.« Ihre Blicke trafen sich, Iris' Augen glitzerten verdächtig. »Das macht mich ja zu einer femme fatale«, kicherte sie.
    »Genau das hat Mr. Pi gestern auch gesagt«, erzählte Mrs. Pollifax. »Wenn Sie wollen, berichten Sie mir über jeden einzelnen. Schließlich bin ich die Gruppenleiterin und will versuchen, uns hier loszueisen.«
    Iris nickte. »George geht's immer noch sehr dreckig, und er starrt mich wütend an, sobald ich aufkreuze; aber immerhin hat er mich seine Bettwäsche wechseln lassen und hat zugelassen, daß ich ihm das Gesicht mit einem nassen Handtuch wasche.«
    »Wie großmütig von ihm«, bemerkte Mrs. Pollifax spitz.
    Iris überlegte einen Augenblick und grinste. »Malcolm zeichnet. Zwischendurch rast er wie angestochen ins Bad. Immerhin hat er schon zwei Löffel Tee bei sich behalten, es sieht also gar nicht so schlecht aus. Und er hat auch versucht, mich zu küssen.«
    »Ich bin schockiert«, sagte Mrs. Pollifax und lächelte.
    »Aber Jenny macht mir wirklich Sorgen«, berichtete Iris, plötzlich wieder ernüchtert. »Sie ist völlig weggetreten, ich dringe gar nicht zu ihr durch. Natürlich war diese Tragödie ein fürchterlicher Schock für sie; aber deshalb braucht sie sich doch nicht gleich aufzuführen, als sei damit auch ihr Leben zu Ende.
    Vielleicht können Sie mal mit ihr reden. Als Sprecherin der Reisegruppe«, fügte sie mit einem blassen Lächeln hinzu.
    Mrs. Pollifax nickte. »Das werde ich sofort tun. Welches Zimmer hat sie denn?«
    »Die letzte Tür am Ende des Ganges. Es hat keinen Sinn, bei ihr anzuklopfen. Sie will niemanden sehen. Sie wird Sie auffordern, wieder zu gehen.«
    »Na, wir werden ja sehen.« Mrs. Pollifax ging den Gang entlang, drückte die Klinke herunter und ging einfach zu Jenny hinein.
    Jenny saß im Bett und wirkte wie versteinert. Als sie Mrs. Pollifax erblickte, fuhr sie sie an:
    »Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe! Sie haben nicht mal angeklopft. Sie haben hier gar nichts zu suchen. Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe.« Ihre Stimme überschlug sich. Sie gebärdete sich völlig hysterisch.
    Mrs. Pollifax ließ sie eiskalt abblitzen. »Es ist mein gutes Recht als Gruppenleiterin, selbst festzustellen, wie es Ihnen geht, also hören Sie gefälligst auf mit diesem Unsinn! Haben Sie immer noch die Ruhr? Oder ist es schon besser?« Sie ging ans Fenster, zog die Vorhänge auf und ließ Licht und Luft ins Zimmer.
    »Ach so«, sagte Jenny. »Ja, das ist überstanden.«
    Mrs. Pollifax ging zurück zu Jennys Bett, blieb davor stehen und sah auf Jenny hinunter.
    »Dann ist es ja wohl langsam an der Zeit, daß Sie aufstehen und der armen Iris helfen. Sie hat kein Auge zugetan, weil sie Sie und die anderen gepflegt hat. Wenn Sie sich also wieder besser fühlen...«
    »Schon wieder Iris«, schrie Jenny wutentbrannt. »Ich schwöre Ihnen, wenn ich diesen Namen nur noch einmal höre, werde ich - werde ich...«
    »Na, was denn?« fr agte Mrs. Pollifax.
    »Dann bringe ich sie um!« fauchte Jenny völlig außer sich.
    Mrs. Pollifax schüttelte den Kopf und sagte leise: »Noch mehr Tote, Jenny?«
    »Erst hat sie mir George abspenstig gemacht und dann Peter und - ach, verdammt!« schrie sie. »Jetzt ist alles aus. Einfach alles! Ich ertrage es nicht mehr!«
    Da setzte sich Mrs. Pollifax auf die Bettkante und zog Jenny an sich. »Weinen Sie doch endlich, Jenny, weinen Sie sich alles von der Seele. Versuchen Sie es. Sie werden sehen, es hilft.«
    »Ich will aber nicht!« setzte sich Jenny wütend zur Wehr.
    »Versuchen Sie es doch«, bat Mrs. Pollifax noch einmal und drückte Jenny an sich.
    Jenny sah sie mit weitaufgerissenen Augen an. In ihrem Blick lag abgrundtiefe Verzweiflung.
    Sie fing an zu weinen. Schließlich warf sie sich auf das Bett und trommelte mit den Fäusten auf die Kissen, außer sich vor Schmerz und Zorn. Dabei wurde sie von wildem Schluchzen geschüttelt. Doch allmählich
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