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in China

in China

Titel: in China
Autoren: Dorothy Gilman
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sie an eine Autopsie wahrhaftig nicht gedacht. Sie würde diesen Mann nicht überzeugen können, was für eine Erklärung sie jetzt auch abgab.
    Da sagte er ganz sanft und voller Mitgefühl. »Mrs. Pollifax, ich will nicht Katz und Maus mit Ihnen spielen, aber ich glaube, wir verstehen uns jetzt besser.«
    Sie starrte ihn fassungslos an. »Vielleicht«, begann sie, »aber was... wie...« Ihre Stimme wurde immer leiser.
    »Ich habe Ihnen ja gesagt, daß ich keine Katze bin, die ihr grausames Spiel mit einer Maus treibt«, wiederholte er. »Ich habe Sie zu dieser frühen Morgenstunde holen lassen, um Ihnen mitzuteilen, daß Sie gehen können.«
    Gehen, dachte sie verwirrt, was meint er bloß mit gehen?
    »Wollen Sie damit sagen, daß ich ins Hotel zurück kann?« Sie wagte es kaum zu hoffen.
    Da erklärte er ihr freundlich: »Am späten Vormittag wird die Leiche von Mr. Forbes nach Peking geflogen und Ihrer dortigen Botschaft ausgeliefert. Sie werden ebenfalls in der Maschine sitzen und nach einer kurzen Zwischenlandung in Peking nach Tokio weiterfliegen.
    Sie alle, die gesamte Reisegruppe.«
    Sie starrte ihn verwundert an und konnte es nicht fassen.
    »Ich leite das Verhör«, erklärte er ihr seelenruhig, »und ich habe auch darüber zu bestimmen, wann das Verhör beendet ist.«
    Er sah sie an und sagte barsch: »Ich weiß nicht und ich möchte auch nicht wissen, was sich am Fluß abgespielt hat. Zwei Amerikaner sind ums Leben gekommen, doch ich werde mich mit dem Urteil ›Ursache unbekannt ‹ zufriedengeben. Denn ich habe mich wie gesagt sehr gründlich und sehr lange mit der menschlichen Natur befaßt und habe daher das Gefühl: was auch vorgefallen ist, es geschah aus einer zwingenden Notwendigkeit heraus. Daher bin ich nicht an einer Fortsetzung des Verhörs interessiert. Ich will der Sache nicht weiter nachgehen.«
    Sie hatte sich schon im Gefängnis gesehen. Das war das Mindeste. In Wahrheit hatte sie sogar mit Schlimmerem gerechnet. Daher stammelte sie jetzt verwirrt: »Ich weiß gar nicht, was - was ich sagen soll.«
    »Das glaube ich Ihnen gern«, sagte er und stand auf.
    »Außer daß ich Ihnen danke«, sagte sie und erhob sich gleichfalls. »Ich danke Ihnen für die Freundlichkeit, die Sie mir erwiesen haben, Mr. Chang.«
    Er kicherte, verneigte sich vor ihr und sagte: »In einer Stunde werden Sie alle abgeholt und zum Flughafen gebracht. Ihnen möchte ich noch sagen, daß ich mich freue, Ihre
    Bekanntschaft gemacht zu haben, wenn auch nur für kurze Zeit. Trotzdem muß ich hoffen«, fügte er augenzwinkernd hinzu, »daß wir uns nicht noch einmal über den Weg laufen. Braun oder schwarz?«
    Sie tat gar nicht erst, als hätte sie ihn nicht verstanden.
    »Braun.«
    Er nickte. »Ich selbst übe mich jetzt im Tai Chi, aber ich habe auch einmal den braunen Gürtel in der kriegerischen Kunst des Karate erworben.« Er verneigte sich noch einmal ehrerbietig vor ihr. »Leben Sie wohl, Mrs. Pollifax, und kommen Sie gut nach Hause.«

Epilog
    Mrs. Pollifax hatte ein Kleid gefunden, das Cyrus umwerfend fand. Das war es auch, doch nach ein paar Tagen fiel ihr auf, daß es beige und jadegrün war, ein staubiges Grün. Seitdem sah sie die Felswände von Jiaohe, die Wüste Takla Makan und die Lehmmauern Xians vor sich, wann immer ihr Blick auf das Kleid fiel. Das Herz tat ihr weh, wenn sie an Peter dachte.
    Ständig bangte sie um ihn. Nicht einmal Cyrus, dem großen augenzwinkernden und rührend um sie besorgten Cyrus, gelang es ganz, sie aus ihren trüben Gedanken zu reißen. Woche um Woche verging, und sie war mit ihren Gedanken bei Peter, Sheng und X, die sich
    durchkämpfen mußten, bis sie jenseits der chinesischen Grenze und in Sicherheit waren.
    Die Nachricht, die sie Carstairs und Bishop überbracht hatte, verfehlte ihre Wirkung nicht und erschütterte so manches Ressort des CIA in seinen Grundfesten. Sobald sie in Tokio gelandet waren, hatte sie Gespräche mit Cyrus und mit Bishop angemeldet. Dann hatte sie erschöpft auf ihrem Bett gesessen und darauf gewartet, daß eins der Gespräche durchkam.
    Cyrus erreichte sie zuerst. »Emily?« schrie er. »Emily, verdammt, wo steckst du denn? Mein Gott, Emily, ich habe mir solche Sorgen gemacht.«
    »Ach, Cyrus, wie schön, deine Stimme zu hören«, hatte sie gestammelt und war in Tränen ausgebrochen. »Ich bin in Tokio. Wie war denn deine Reise?«
    »Ach, zum Teufel mit meiner Reise, Emily. Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung? Hast du alles heil
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