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Imperium

Imperium

Titel: Imperium
Autoren: Robert Harris
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wir diskutiert, aber am Ende wollten sie sich nicht festlegen, bevor sie nicht mit den anderen großen Familien gesprochen hätten«, sagte Cicero, der sich immer wieder nervös umschaute, ob auch niemand sie belauschte. Aber es herrschte so viel Trubel, dass seine Sorge unbegründet war. »Ich glaube, Hortensius hätte sofort Ja gesagt. Catulus war instinktiv dagegen. Die anderen werden schließlich das tun, was ihnen am nützlichsten erscheint. Wir müssen einfach abwarten.«
    Atticus, der sich zu uns gesellt und alles mitgehört hatte, sagte: »Aber die Echtheit des Protokolls haben sie nicht angezweifelt, oder?«
    »Nein, ich glaube nicht. Das haben wir Tiro zu verdanken. Wir reden später weiter. Jetzt will ich eure zuversichtlichsten Gesichter sehen, schließlich haben wir eine Wahl zu gewinnen.« Und dann drückte er jedem von uns der Reihe nach die Hand.
    Wohl selten hat ein Kandidat ein grandioseres Spektakel geboten als Cicero an jenem Tag auf dem Fußmarsch zum Marsfeld. Das größte Verdienst daran gebührte zweifellos Quintus. Unsere Parade umfasste drei- bis vierhundert Personen: Musiker, junge Burschen, die mit Bändern geschmückte Zweige trugen, Mädchen, die Rosenblätter streuten, Ciceros Schauspielerfreunde, Senatoren, Ritter, Geschäftsinhaber, Standbesitzer von den Märkten, regelmäßige Zuschauer aus den Gerichtshöfen, Vertreter der Zünfte, Gerichtsschreiber, Repräsentanten von römischen Gemeinden aus Sizilien und Gallia Cisalpina. Beim Einzug auf das Marsfeld veranstalteten wir einen Höllenlärm, wir johlten und pfiffen, und sofort strömte uns eine riesige Menge an Wählern entgegen. Nach meiner Erfahrung wird jede gerade anstehende Wahl als die bedeutendste aller Zeiten bezeichnet - immer. An jenem Tag zumindest konnte man das mit einigem Grund behaupten - mit dem zusätzlichen Reiz, dass ihr Ausgang angesichts der umtriebigen Stimmenkäufer, der schieren Anzahl an Kandidaten und der Feindschaft zwischen ihnen - nach Ciceros Senatsattacke auf Catilina und Hybrida - völlig offen war.
    Wir waren auf Ärger gefasst, weshalb Quintus vorsichtshalber einige unserer kräftigeren Helfer direkt vor und hinter seinem Bruder postiert hatte. Als wir uns dem Wahlgelände näherten und ich weiter vorn Catilina und seine Anhänger neben dem Zelt des Wahlleiters stehen sah, wurde ich nervös. Ein paar von Catilinas Schlägern stießen höhnische Bemerkungen aus, als wir die Absperrung erreichten, aber Catilina selbst warf uns nur einen kurzen, geringschätzigen Blick zu und setzte dann sein Gespräch mit Hybrida fort. Erstaunt fragte ich den jungen Frugi im Flüsterton, ob es ihn nicht auch wundere, dass Catilina nicht wenigstens ein paar einschüchternde Drohungen für uns übrig habe, schließlich habe das schon immer zu seiner Taktik gehört, worauf Frugi erwiderte: »Wahrscheinlich glaubt er, dass er das nicht nötig hat. Er ist sich sicher, dass er gewinnt.« Seine Antwort trug nicht gerade zu meiner Beruhigung bei.
    Doch dann geschah etwas höchst Ungewöhnliches. Cicero und die anderen Senatoren, insgesamt etwa zwei Dutzend Männer, die sich um das Konsulat oder die Prätur bewarben, standen, von ihren Anhängern durch einen niedrigen Holzzaun getrennt, innerhalb einer kleinen für sie reservierten Zone. Der präsidierende Konsul unterhielt sich gerade mit dem Auguren, um sich zu vergewissern, dass die für den Beginn der Abstimmung erforderlichen Zeichen günstig standen, als mit einem Gefolge von etwa zwanzig Mann Hortensius auftauchte. Die Menge teilte sich, um ihn durchzulassen. Er trat an den Zaun und rief Cicero, der seine Unterhaltung mit einem der anderen Kandidaten - ich glaube, es war Cornificius - unterbrach und zu ihm ging. Allein das überraschte die Leute, denn jeder wusste um die gegenseitige Abneigung der beiden alten Rivalen. Unter den Zuschauern kam Unruhe auf. Auch Catilina und Hybrida drehten sich um und starrten herüber. Einen Augenblick lang schauten sich Cicero und Hortensius an, dann nickten sie sich in der gleichen Sekunde zu, streckten die Hände über den Zaun, und jeder schüttelte langsam die Hand des anderen. Kein einziges Wort wurde gesprochen. Dann, die Hände der beiden hielten sich noch fest umschlossen, drehte Hortensius sich halb zu der Menge um und hob Ciceros Arm in die Höhe. Donnernder Applaus, in dem nur einige Buhs und Unmutsäußerungen zu hören waren, brach unter den Menschen los, denn es gab keinen Zweifel daran, was diese Geste bedeutete. Nie und
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