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Imperium

Imperium

Titel: Imperium
Autoren: Robert Harris
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wollte, was sich zugetragen hatte. Er war gleichzeitig wütend und besorgt. Fast bis Mitternacht hatte er mit den anderen in Atticus ' Bibliothek auf uns gewartet. Das brachte mich in eine peinliche Lage, und ich stammelte nur, dass es mir lieber wäre, er würde seinen Bruder selbst fragen. Ehrlich gesagt, kam mir das Treffen zwischen Cicero und seinen erbittertsten Feinden, und das auch noch an diesem speziellen Ort, inzwischen so unwirklich vor, dass ich fast geneigt war, das Ganze als Traum abzutun. Quintus gab sich mit meiner Antwort nicht zufrieden, aber glücklicherweise ersparte mir die schiere Masse der ins Haus drängenden Besucher weitere Verlegenheiten. Ich stahl mich mit der Ausrede davon, dass ich im Tablinum nach dem Rechten sehen müsse. Von dort schlüpfte ich in meine kleine Kammer und wusch mir mit lauwarmem Wasser aus meiner Waschschüssel Hals und Gesicht ab.
    Als ich Cicero das nächste Mal sah, etwa eine Stunde später, fiel mir einmal mehr seine bemerkenswerte Fähigkeit zur schnellen Regeneration auf, eine Eigenschaft, die alle erfolgreichen Politiker kennzeichnet. Als er die Treppe herunterkam, in einer frischen weißen Toga, das Gesicht gewaschen und rasiert, die Haare gekämmt und parfümiert, da hätte niemand ahnen können, dass er in den letzten beiden Nächten keine Minute geschlafen hatte. Auf seiner Schulter thronte sein Sohn Marcus, der heute ein Jahr alt wurde. Im Haus wimmelte es von seinen Anhängern, und als diese die beiden sahen, brach ein derartiges Jubelgeschrei los, dass es mich nicht überrascht hätte, wenn durch die Erschütterung ein paar Ziegel vom Dach geflogen wären: Kein Wunder, dass der Kleine anfing zu weinen. Cicero hob den Jungen schnell von der Schulter, damit niemand auf die Idee kam, dies als schlechtes Omen zu deuten, und übergab ihn Terentia, die hinter ihm auf der Treppe stand. Lächelnd sagte er etwas zu ihr, was ich aber nicht verstehen konnte. In diesem Augenblick wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie nahe die beiden sich im Lauf der Jahre gekommen waren: Aus der Zweckheirat war inzwischen eine außergewöhnliche Partnerschaft geworden.
    So viele Menschen drängten sich im Haus, dass Cicero Mühe hatte, sich seinen Weg vom Tablinum ins Atrium zu bahnen, wo Quintus, Frugi und Atticus mit einer ansehnlichen Zahl von Senatoren auf ihn warteten. Zu denen, die ihre Unterstützung für Cicero demonstrieren wollten, gehörten sein alter Freund Servius Sulpicius; der namhafte Rechtsgelehrte Gallus, der eine eigene Kandidatur abgelehnt hatte; der ältere Frugi, dem er natürlich auch familiär verbunden war; Marcellinus, der ihn seit demVerres-Prozess immer unterstützt hatte; sowie viele Senatoren, die er vor Gericht vertreten hatte: Cornelius, Fundanius, Orchivius und auch Fonteius, der korrupte Exstatthalter von Gallien. Während ich mich im Schlepptau Ciceros durch die überfüllten Räume kämpfte, wurde ich immer wieder an Ereignisse aus den vergangenen zehn Jahren erinnert, so viele Protagonisten aus schon fast vergessenen Gerichtssaalschlachten liefen mir über den Weg. Sogar Popillius Laenas, dessen Neffen Cicero am Tag von Sthenius ' Ankunft in Rom vor einem Schuldspruch wegen Vatermordes bewahrt hatte, war gekommen. Die Atmosphäre glich eher einem Familientreffen als einer Wahlveranstaltung, und Cicero war wie immer bei solchen Anlässen in seinem Element: Ich bezweifle, dass es auch nur einen Sympathisanten gab, dem er nicht die Hand schüttelte und mit dem er nicht einen zumindest so ausführlichen Plausch hielt, dass hinterher jeder das Gefühl hatte, eine spezielle persönliche Behandlung erfahren zu haben.
    Kurz bevor wir das Haus verließen, nahm Quintus seinen Bruder beiseite und fragte ihn - ziemlich verärgert, wenn ich mich recht erinnere -, wo um alles in der Welt er die ganze Nacht gewesen sei, es hätte nicht viel gefehlt und er hätte ihn suchen lassen. Angesichts der vielen Leute sagte Cicero leise, dass er ihm später alles erzählen würde. Das kränkte Quintus nur noch mehr. »Was glaubst du, wer ich bin?«, fragte er. »Dein Dienstmädchen? Erzähl ' s mir sofort!« Und so berichtete ihm Cicero in kurzen Worten über den Ausflug zu Lucullus ' Palast und sein Gespräch mit Metellus, Catulus, Hortensius und Isauricus.
    »Die ganze Patrizierbande«, murmelte Quintus aufgeregt. Seine Gereiztheit war schlagartig verflogen. »Bei allen Göttern, wer hätte je so was gedacht? Und bekommen wir ihre Unterstützung?«
    »Stundenlang haben
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