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Imperium

Imperium

Titel: Imperium
Autoren: Robert Harris
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verteidigen.« Diesmal lachte niemand über ihr kindliches Treuebekenntnis. Sogar Cicero konnte sich nur ein mattes Lächeln abringen. Doch dann fing er sich wieder.
    »Also wirklich, Quintus«, sagte er. »Du verdirbst uns den ganzen Abend. Zwischen zwei Extremen findet sich immer auch ein dritter Weg. Crassus und Caesar müssen aufgehalten werden: Das schaffe ich. Und was Lucullus angeht, wird jeder akzeptieren, dass er für seine Verdienste im Krieg gegen Mithridates den Triumph hundertmal verdient hat.«
    »Und was ist mit Metellus?«, fiel ihm Quintus ins Wort.
    »Sicher lässt sich auch an Metellus etwas Lobenswertes finden. Du musst mir nur etwas Zeit lassen.«
    »Und Pompeius?«
    »Wie wir alle wissen, ist Pompeius lediglich ein ergebener Diener dieser Republik«, erwiderte Cicero mit einer lässigen Handbewegung. »Und was noch wichtiger ist«, fügte er trocken hinzu, »er ist nicht da.«
    Kurz herrschte Stille, dann fing Quintus zögernd an zu lachen. »Er ist nicht da«, wiederholte er. »Das ist allerdings wahr.« Und Sekunden später lachten wir alle; wir konnten einfach nicht an uns halten.
    »So gefällt mir das schon besser«, sagte Cicero lächelnd. »Die Kunst des Lebens besteht darin, sich mit Problemen erst dann zu beschäftigen, wenn sie auftauchen, und seine Lebenslust nicht dadurch zu ruinieren, dass man sich schon weit im Voraus darüber den Kopf zerbricht. Vor allem nicht heute Abend.« Und dann glänzte plötzlich eine Träne in einem seiner Augenwinkel. »Wisst ihr, auf wen wir trinken sollten? Wir sollten einen Trinkspruch ausbringen zum Gedenken an unseren geliebten Vetter Lucius. Er war hier mit uns auf dem Dach, als ich zum ersten Mal über das Konsulat gesprochen habe, und er hätte den heutigen Tag sicher gern erlebt.« Er erhob seinen Becher, und auch wir erhoben unsere Becher, und ich musste unwillkürlich an die letzten Worte denken, die Lucius an Cicero gerichtet hatte: »Worte, nichts als Worte. Hört das denn nie auf mit diesen Praktiken, mit denen du die anderen nach deiner Pfeife tanzen lässt? «
    Später, als alle anderen schon nach Hause oder zu Bett gegangen waren, lag Cicero auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, auf einer der Liegen und schaute hinauf zu den Sternen. Ich saß auf der Liege gegenüber und hielt mein Notizbuch bereit für den Fall, dass er mir noch etwas diktieren wollte. Krampfhaft versuchte ich, die Augen offen zu halten. Ich war fast ohnmächtig vor Müdigkeit. Als mir zum vierten oder fünften Mal das Kinn auf die Brust fiel, hob er den Kopf, schaute zu mir herüber und sagte, ich solle mich schlafen legen. »Du musst ausgeruht sein, du bist jetzt der Privatsekretär des designierten Konsuls von Rom. Dein Verstand wird in Zukunft so scharf sein müssen wie dein Stift.« Als ich aufstand, lehnte er sich zurück und widmete sich wieder der Betrachtung des Himmels. »Wie wird die Nachwelt wohl über uns urteilen, Tiro?«, sinnierte er. »Das ist für einen Staatsmann die einzige Frage. Bevor jedoch die Nachwelt ihr Urteil sprechen kann, muss sie erst mal wissen, wer wir überhaupt waren.« Ich wartete noch eine Zeit lang, aber es kam nichts mehr. Er schien vergessen zu haben, dass ich noch da war. Also ging ich und überließ ihn seinen Gedanken.
     

ANMERKUNGEN DES AUTORS
     
    Auch wenn es sich bei Imperium um einen Roman handelt, so schildert er doch überwiegend Begebenheiten, die sich wirklich ereignet haben. Der Rest könnte sich zumindest so ereignet haben. Hoffentlich (und da begebe ich mich in die Hände des Schicksals) ist nichts darunter, das sich nachweisbar nicht ereignet hat. Dass Tiro eine Biografie von Cicero verfasst hat, ist belegt durch Plutarch und Asconius. Das Werk ist beim Untergang des Römischen Reiches verloren gegangen.
    Den größten Dank schulde ich der neunundzwanzigbändigen Ausgabe von Ciceros Reden und Briefen in der bei Harvard University Press erschienenen Loeb Classicai Library. Eine weitere unschätzbare Hilfe war mir The Magistrates of The Roman Republic, Volume II, 99 B.C.31 B.C. von T. Robert S. Broughton, veröffentlicht von der American Philological Association. Des Weiteren verneige ich mich vor Sir William Smith (1813-1893), dem Herausgeber des Dictionary of Greek and Roman Biography and Mythobgy, des Dictionary of Greek and Roman Antiquities und des Dictionary of Greek and Roman Geography - drei gewaltige und unübertroffene Monumente humanistischer Bildung aus viktorianischer Zeit.
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