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Imperium

Imperium

Titel: Imperium
Autoren: Robert Harris
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dass nach seiner Rechnung noch ein zweiter General im aktiven Dienst auf dem Gelände sein musste. »Hältst du es für möglich, dass Quintus Metellus hier ist?«, fragte er mich flüsternd, als Hortensius ' Verwalter uns in das höhlenartige Innere des Palastes führte. »Bei allen Göttern, ich glaube, er ist tatsächlich da.«
    Wir gingen durch verschiedene mit Kriegsbeute vollgestopfte Räume, bis wir schließlich in den großen Raum eintraten, der als Saal des Apollo bekannt ist. Unter einem Wandgemälde, auf dem Apollo mit einem goldenen Bogen einen Feuerpfeil abschießt, saßen sechs ins Gespräch vertiefte Männer. Beim Geräusch unserer Schritte auf dem Marmorboden verstummten sie, schauten uns an und schwiegen hörbar. Quintus Metellus war tatsächlich da - stämmiger, grauer und verwitterter nach seinem jahrelangen Kommando auf Kreta, aber immer noch unverkennbar der Mann, der versucht hatte, die Sizilier dazu zu nötigen, ihre Klage gegen Verres fallen zu lassen. Neben Metellus saß auf einer Seite sein Verbündeter aus alten Gerichtstagen, Hortensius, dessen kühles, fein geschnittenes Gesicht keinerlei Regung zeigte, und auf der anderen Seite Catulus, dünn und scharf wie die Klinge eines Messers. Isauricus, der große alte Mann des Senats, war ebenfalls anwesend - um die siebzig muss er an jenem Juliabend gewesen sein, was man ihm allerdings nicht ansah (er war einer von diesen Menschen, denen man ihr Alter nie ansah: Er sollte neunzig Jahre alt werden und die Trauerfeiern fast aller Anwesenden erleben). Mir fiel auf, dass er die Abschrift in Händen hielt, die ich Hortensius überbracht hatte. Die beiden Lucullus-Brüder komplettierten das Sextett. Den jüngeren, Marcus, kannte ich aus dem Senat, er war ein bekanntes Gesicht aus der vordersten Bank. Lucius, den berühmten General, hatte ich noch nie zuvor gesehen, er hatte achtzehn der letzten dreiundzwanzig Jahre im Militärdienst außerhalb von Rom verbracht. Er war etwa Mitte fünfzig, und mir wurde schnell klar, warum Pompeius so leidenschaftlich eifersüchtig auf ihn war - in Galatien bei der Übergabe des Oberbefehls für den Osten war es sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen den beiden gekommen. Lucullus verströmte eine kühle Grandezza, die sogar Catulus etwas gewöhnlich aussehen ließ.
    Es war schließlich Hortensius, der das peinliche Schweigen beendete. Er stand auf und stellte Cicero dem General vor. Cicero streckte die Hand aus, und einen Augenblick lang glaubte ich, dass Lucullus den Handschlag verweigern würde, denn dieser kannte Cicero ja nur als Parteigänger von Pompeius und als einen jener populären Politiker, die bei seiner Abberufung die Finger im Spiel gehabt hatten. Aber schließlich nahm er seine Hand doch - allerdings so vorsichtig, wie man einen schmutzigen Schwamm in einer Latrine anfasst. »Imperator«, sagte Cicero und verneigte sich höflich. Dann nickte er auch Metellus zu: »Imperator.«
    »Und wer ist das?«, fragte Isauricus und zeigte auf mich.
    »Tiro, mein Sekretär«, antwortete Cicero. »Er hat das Treffen in Crassus ' Haus protokolliert.«
    »Nun, was mich angeht, ich glaube kein Wort davon«, sagte Isauricus und stieß mit dem Schriftstück in meine Richtung. »Niemand kann eine derart ausführliche Besprechung Wort für Wort aufzeichnen. Kein Mensch kann das.«
    »Tiro hat sein eigenes Kurzschriftsystem entwickelt«, erläuterte Cicero. »Zeig ihm die Aufzeichnungen, Tiro, so wie du sie gestern Nacht gemacht hast.«
    Ich zog die Notizbücher aus der Tasche und verteilte sie an die Runde.
    »Bemerkenswert«, sagte Hortensius, während er sich meine Notizen ansah. »Diese Symbole, stehen die für Laute oder für ganze Wörter?«
    »Die meisten für Wörter und für allgemeine Redewendungen«, antwortete ich.
    »Das will ich sehen«, sagte Catulus aggressiv. »Schreib mit, was ich sage.« Er sprach gleich weiter, sodass mir kaum Zeit blieb, ein frisches Notizbuch und meinen Schreibgriffel hervorzuholen. »Wenn das stimmt, was ich hier lese, dann steuert der Staat als Folge einer kriminellen Verschwörung auf einen Bürgerkrieg zu. Stimmt es nicht, dann handelt es sich um die hinterhältigste Fälschung in der Geschichte Roms. Ich persönlich betrachte dieses Schriftstück als Fälschung, und zwar weil ich es für unmöglich halte, dass ein menschliches Wesen ein derartiges Protokoll anfertigen kann. Dass Catilina ein Hitzkopf ist, das wissen wir schon lange, aber er ist ein wahrer und ehrenhafter Römer,
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