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Imperium

Imperium

Titel: Imperium
Autoren: Robert Harris
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einzog, als auch Hortensius, der damals selbst Prätor war, mit seinem Tross dem Senat zustrebte. Wir wurden von seinen Wachen zurückgehalten, damit der große Mann passieren konnte, und bis heute glaube ich nicht, dass Hortensius Cicero mit Vorsatz ignorierte, denn er war ein Mann mit kultivierten, fast femininen Umgangsformen. Ich glaube, er hat uns einfach nicht gesehen. Die Folge war jedoch, dass dem sogenannten zweitbesten Advokaten Roms der freundliche Gruß auf den Lippen erstarb und er dem sich entfernenden Rücken des sogenannten besten Advokaten mit derart tiefer Verachtung hinterherschaute, dass ich mich wunderte, warum Hortensius nicht den Arm hob und sich zwischen seinen Schulterblättern kratzte.
    Unser Fall an diesem Morgen wurde vor dem obersten Strafgericht verhandelt, das vor der Basilica Aemilia zusammentrat. Der fünfzehnjährige Gaius Popillius Laenas war angeklagt, seinen Vater getötet zu haben, indem er ihm einen Schreibgriffel aus Metall ins Auge gerammt hatte. Das Podium wurde schon von einer großen Menschenmenge umringt. Ciceros Schlussrede für die Verteidigung stand auf der Tagesordnung. Das war Attraktion genug. Sollte Cicero es nicht schaffen, die Geschworenen zu überzeugen, würde Popillius als Vatermörder verurteilt. Man würde ihn nackt ausziehen, blutig peitschen und dann zusammen mit einem Hund, einem Hahn und einer Schlange in einen Sack einnähen und in den Tiber werfen. Ein Hauch Gier nach Blut hing in der Luft. Als die Zuschauer zur Seite traten, um uns durchzulassen, warf ich einen Blick auf den jungen Popillius, der berüchtigt war für seine Gewalttätigkeit. Seine Augenbrauen bildeten einen durchgehend dicken schwarzen Strich. Er saß neben seinem Onkel auf der Bank, die für die Verteidigung reserviert war, schaute finster und verächtlich in die Menge und spuckte jeden an, der ihm zu nahe kam. »Wir müssen ihn unbedingt freibekommen«, sagte Cicero zu mir. »Schon damit den armen Tieren die Tortur erspart bleibt, mit ihm in einen Sack gesteckt zu werden.« Er bestand immer darauf, dass es nicht Sache des Anwalts sei, sich den Kopf über Schuld oder Unschuld eines Mandanten zu zerbrechen: Das sei Sache des Gerichts. Seine Pflicht sei es lediglich, sein Bestes zu tun. Als Gegenleistung sähen sich die Popilii Laeni, die sich mit vier Konsuln in ihrem Stammbaum brüsten konnten, in der Pflicht, ihn zu unterstützen, wann immer er ein Öffentliches Amt anstrebte.
    Sositheus und Laurea stellten die Körbe mit den Beweismitteln ab, und ich bückte mich gerade, um den ersten aufzuschnüren, als Cicero sagte: »Spar dir die Mühe.« Er tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe. »Die Rede ist hier gespeichert.« Er beugte sich zu seinem Mandanten vor und begrüßte ihn höflich: »Guten Morgen, Popillius. Das haben wir gleich erledigt, glaube mir.« Dann wandte er sich wieder mir zu und sagte leise: »Ich habe eine wichtigere Aufgabe für dich. Gib mir deine Wachstafel. Ich will, dass du zum Senat gehst, den Protokollführer auftreibst und vorfühlst, ob er das hier noch auf die Tagesordnung für heute Nachmittag setzen kann.« Er schrieb schnell. »Sag unserem Freund aus Sizilien noch nichts davon. Das ist nicht ganz ungefährlich. Wir müssen behutsam vorgehen, ein Schritt nach dem andern.«
    Erst als ich das Gericht verlassen und das Forum auf dem Weg zum Senat schon halb durchquert hatte, wagte ich, einen Blick auf die Wachstafel zu werfen … dass nach Auffassung dieses Hauses in den Provinzen die Strafverfolgung von Personen, die Kapitalverbrechen beschuldigt werden, in deren Abwesenheit verboten werden sollte. Ich spürte ein Ziehen in meinem Brustkorb, weil ich sofort erkannte, was das bedeutete. Schlau, behutsam und verdeckt traf Cicero Vorbereitungen, seinem großen Rivalen den Kampf anzusagen. Ich überbrachte eine Kriegserklärung.
     

     
    Im November führte Gellius Publicola den Vorsitz im Senat. Er war ein ungehobelter, köstlich tumber Militärführer der alten Schule. Man behauptete, oder wenigstens behauptete es Cicero, dass sich Gellius, als er zwanzig Jahre zuvor mit seiner Armee in Athen gewesen war, als Schlichter im Streit der philosophischen Schulen angeboten hatte: Er würde eine Konferenz einberufen, auf der sie ein für alle Mal den Sinn des Lebens klären könnten, dann brauchten sie ihre Lebenszeit nicht mit weiteren sinnlosen Debatten zu vergeuden. Ich kannte Gellius ' Sekretär ziemlich gut, und da sich die Agenda für den Nachmittag
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