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Imperium

Imperium

Titel: Imperium
Autoren: Robert Harris
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das ist nicht das Schlimmste. Bei der Verhandlung hat Verres behauptet, dass es neues Beweismaterial gegen mich gebe, diesmal wegen Spionage für die Rebellen in Spanien. Er hat für den ersten Dezember eine neue Verhandlung in Syrakus angesetzt.«
    »Aber Spionage ist ein Kapitalverbrechen.«
    »Du musst mir glauben, Senator, er will mich ans Kreuz schlagen lassen. Er posaunt das schon überall herum. Ich wäre ja nicht der Erste. Ich brauche Hilfe. Ich flehe dich an, bitte hilf mir!«
    Ich hatte den Eindruck, er würde jeden Augenblick auf die Knie fallen und die Füße des Senators küssen. Die gleiche Ahnung hatte wohl auch Cicero, denn er stand hastig auf und fing an, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Ich glaube, Sthenius, dein Fall hat zwei verschiedene Aspekte. Bei dem ersten, dem Diebstahl deines Eigentums, kann man ehrlich gesagt wohl nichts machen. Was glaubst du denn, warum Männer wie Verres den Statthalterposten anstreben? Weil sie wissen, dass sie sich im Rahmen gewisser Grenzen alles unter den Nagel reißen können, was sie wollen. Der zweite Aspekt, Missachtung des Rechtsweges, sieht da schon vielversprechender aus.
    Ich kenne in Sizilien mehrere Männer mit exzellenten juristischen Fähigkeiten - richtig, einer lebt sogar in Syrakus. Ich werde ihm noch heute schreiben und ihn dringend bitten, mir zuliebe deinen Fall zu übernehmen. Ich werde ihm außerdem darlegen, was meiner Meinung nach zu tun ist. Er soll bei Gericht den Antrag stellen, die anstehende Klage für unwirksam zu erklären mit der Begründung, dass du dich nicht persönlich verteidigen kannst. Sollte das fehlschlagen und Verres das Verfahren durchziehen, soll dein Anwalt nach Rom kommen und die Verurteilung anfechten.«
    Aber der Sizilier schüttelte den Kopf. »Wenn ich nur einen Anwalt in Syrakus brauchte, Senator, hätte ich nicht den weiten Weg bis nach Rom gemacht.«
    Ich konnte sehen, dass Cicero nicht erfreut darüber war, in welche Richtung sich das Gespräch bewegte. Ein derartiger Fall könnte seine Praxis für Tage lahmlegen, und Sizilier waren - worauf ich ihn hingewiesen hatte - in Rom nicht wahlberechtigt. Pro bono - wie wahr!
    »Hör zu«, sagte er mit besänftigender Stimme. »Deine Erfolgsaussichten sind gut. Verres ist offensichtlich korrupt. Er missbraucht deine Gastfreundschaft, er stiehlt, er bringt falsche Beschuldigungen vor. Er plant einen Justizmord. Seine Position ist unhaltbar. Ein Anwalt in Syrakus wird damit leicht fertig - ganz sicher, glaub mir. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, auf mich warten jede Menge Klienten, außerdem habe ich in einer knappen Stunde einen Termin bei Gericht.«
    Cicero nickte mir zu. Ich trat vor und legte eine Hand auf Sthenius ' Arm, um ihn nach draußen zu geleiten. Der Sizilier schüttelte meine Hand ab. »Aber ich brauche dich«, sagte er hartnäckig.
    »Warum?«
    »Weil ich nur in Rom eine Aussicht auf Gerechtigkeit habe, nicht in Sizilien. Da kontrolliert Verres die Gerichte. Und alle Leute sagen, dass du, Marcus Tullius Cicero, der zweitbeste Anwalt Roms bist.«
    »Ach ja, tun das die Leute?« Ciceros Stimme nahm einen sarkastischen Tonfall an. Er hasste dieses Attribut. »Wenn dem so ist, warum gibst du dich dann mit dem Zweitbesten zufrieden? Warum nimmst du nicht gleich Hortensius?«
    »Das wollte ich ja«, sagte Sthenius arglos. »Aber er hat abgelehnt. Er vertritt Verres.«
     

     
    Ich begleitete den Sizilier nach draußen und ging wieder in Ciceros Arbeitszimmer. Er war allein. Zurückgelehnt saß er auf seinem Stuhl, starrte an die Wand und warf den Lederball von einer Hand in die andere. Juristische Fachbücher lagen unordentlich auf seinem Schreibpult herum. Eins, das er aufgeschlagen hatte, hieß Juristische Verfahrensregeln und war von Hostilius. Ein anderes war Manilius ' Kauf- und Verkaufsverträge.
    »Erinnerst du dich an den Besoffenen am Pier von Puteoli? Den mit den roten Haaren? Als wir gerade aus Sizilien eingelaufen waren? ›Hört, hört, guter Mann! Er ist auf dem Rückweg aus seiner Provinz … ‹«
    Ich nickte.
    »Das war Verres.« Der Ball hüpfte von der linken in die rechte, von der rechten in die linke Hand. »Der Bursche bringt noch die gute alte Korruption in Verruf.«
    »Mich überrascht, dass Hortensius sich mit ihm einlässt.«
    »Das überrascht dich? Mich nicht.« Er hörte auf, mit dem Ball zu spielen. Nachdenklich betrachtete er die Lederkugel, die auf seiner ausgestreckten Hand lag. »Der Tanzmeister und der Eber …« Eine
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