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Imperator

Imperator

Titel: Imperator
Autoren: Stephen Baxter
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gebrauchen.«
    Cunovic war gerührt. »Ich weiß, ich war häufig fort. Ich dachte, wir würden uns auseinanderleben …«
    »Niemals.«
    »Und außerdem bin ich keine große Hilfe. Schließlich habe ich keine Kinder. Ich habe das noch nicht durchgemacht.«
    »Aber du bist da«, sagte Ban ernst. »So wie auch ich für dich da sein werde. Wahrscheinlich vermisst du die Annehmlichkeiten deiner Reisen. In einer solchen Nacht wäre ein kurzes Bad in einem Becken mit dampfendem Wasser nicht zu verachten.«
    Cunovic grunzte. »Glaub nicht alles, was du hörst. Der König der Catuvellaunen hat sich ein Badehaus bauen lassen. Der Entwurf stammt von einem römischen Architekten, und er hat sich dafür dumm und dämlich bezahlt. Aber die Händler aus Gallien meinen, für sie sei es nicht mehr als ein Schlammloch, in dem sich die Schweine suhlen könnten. Obwohl man einem König so etwas natürlich nicht ins Gesicht sagt.«
    Das brachte Ban zum Lachen, aber Cunovic registrierte unbehaglich, dass einige der lateinischen Begriffe, die er gedankenlos eingestreut hatte – Architekt ,
Entwurf , ja sogar bezahlt  –, seinem Bruder wenig sagten.
    »Immerhin hast du es geschafft, von hier wegzukommen«, sagte Ban. »Deine Handelsgeschäfte laufen gut. Ist es nicht ein seltsames Gefühl, wieder hier zu sein? Du bist ein ausgewachsener Hund, der zum Wurf zurückkehrt, Bruder.«
    Cunovic ließ den Blick über die schlafende Landschaft schweifen. »Nein«, sagte er schlicht. »Im Süden gibt es verspielte kleine Hügel und Täler, die so eng beieinanderliegen, dass man nicht über die nächste Kuppe hinausschauen kann. Das Erdreich ist voller Kalk. Die Sommer sind zu heiß, die Winter zu schlammig. Und Nächte wie diese gibt es dort überhaupt nicht …« Und er sog die eisgeschwängerte Luft mit einem reinigenden Atemzug tief in die Lungen.
    »Ah.« Ban lächelte. »Du vermisst Coventina.«
    Coventina war die Göttin dieses Ortes. Man konnte die Kurven ihres Körpers in den wogenden Hügeln sehen, ihr Geschlecht in den grünen Schatten der Täler. »Ja, ich vermisse das alte Mädchen«, gab Cunovic zu.
    Ein lautes Schnauben nah an seinem Ohr ließ ihn zusammenfahren. Es war Nectovelin. »Dein Zuhause nennst du das. Aber du warst nicht hier, um beim Bau des neuen Hauses zu helfen, nicht wahr? Ich glaube, wir wissen, wo dein Herz ist, Cunovic.«

II
    Nectovelin schlich sich irgendwie immer an einen heran. Trotz seines massigen Körpers und seines Hinkebeins konnte er sich sehr leise bewegen, und er hielt sich stets im Windschatten. Er hatte nach wie vor die Instinkte eines Kriegers, dachte Cunovic, wagenspurentiefe Furchen, die sich tief in seine Persönlichkeit eingegraben hatten und mehr über seine Vergangenheit verrieten als all seine Prahlereien.
    Es verletzte Cunovic jedes Mal, dass dieser eindrucksvolle Mann, sein Großvater, so wenig von ihm zu halten schien. »Du täuschst dich in mir, weißt du«, sagte er. »Vielleicht habe ich mich nicht eigenhändig am Hausbau beteiligt, aber mit den Geschenken, die ich heimgeschickt habe, konntet ihr immerhin einen Teil der Baukosten bestreiten, nicht wahr?«
    Nectovelin räusperte sich und spuckte aus. »Du redest wie dieser Druide, bei dem sich meine Eingeweide kräuseln. Aber Worte sind wie Staub. Schau dich doch nur an! Du trägst einen wollenen Leibrock wie dein Bruder, aber dein Gesicht ist glatt, deine Haare sind gekämmt  – du hast sie dir sogar in den Nasenlöchern und an den Ohren ausgezupft, wenn ich mich nicht irre. Das Haus deines Körpers zeigt, was du sein möchtest.«
    Cunovic trat einen Schritt näher an den alten Mann heran, eine bewusste Herausforderung, und Nectovelin versteifte sich kaum merklich. »Und du bist ein Heuchler«, sagte Cunovic leise. »Ich entsinne mich nicht, dass du meine silbernen Broschen und meine Weinkrüge abgelehnt hättest, mit denen du erst gestern fünf Stück Vieh von Macha gekauft hast, diesem anderen alten Brummbär aus dem Tal. Mag sein, dass es dir nicht gefällt, Großvater. Vielleicht ist es nicht mehr so wie in den alten Zeiten. Aber so geht es heutzutage nun einmal zu in der Welt.«
    Nectovelin starrte ihn finster an, reglos wie ein Wolf, sein Gesicht eine Maske, in der sich Schatten sammelten.
    Ban kam ihnen zu Hilfe. Er trat zwischen Bruder und Großvater. »Nicht heute Nacht, ihr beiden. Ich habe schon genug am Hals.«
    Nectovelin starrte ihm noch einige Herzschläge lang unverwandt in die Augen, und Cunovic schaute
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