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Imperator

Imperator

Titel: Imperator
Autoren: Stephen Baxter
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als gehöre er kaum zu dieser Welt.

    Nectovelin hob die Stimme nur ein wenig. »Hiergeblieben, mein Junge.«
    Mandubracius blieb sofort stehen. Er drehte sich um und trabte zurück.
    Cunedda staunte. »Er ist wie ein gut abgerichteter Hund.«
    »Oh, meine Hunde richte ich besser ab«, sagte Nectovelin.
    Mandubracius kam schwitzend und ein wenig keuchend, aber ohne jeglichen Groll zu ihnen.
    Nectovelin deutete auf das Zelt. »Da. Bau das auf.«
    »Das habe ich noch nie gemacht.«
    »Dann musst du lernen, wie es geht.«
    Mandubracius zupfte an der Lederplane. »Aber es ist heiß. Wir sind eine Ewigkeit gelaufen. Und es ist schwer. Schau, ich kann’s nicht mal hochheben!«
    Nectovelin schnaubte. »Bei Coventinas rotzverkrustetem linkem Nasenloch, so was habe ich ja noch nie gehört. Während du hier wie ein Welpe herumstehst, hätte ein römischer Legionär schon eine komplette Festung ausgehoben. Na los, an die Arbeit. Ich gehe meine Füße baden.« Er marschierte davon.
    Cunedda sagte zu Mandubracius: »Ich helfe dir …«
    »Wenn er nicht weiterweiß«, sagte Agrippina sanft. »Lass es ihn zunächst allein versuchen. Komm. Geh mit mir ans Meer.«
    Sie folgten Nectovelin, während Mandubracius mühsam das steife Leder auseinanderfaltete.

II
    Nectovelin löste seine Sandalen und gab den Blick auf Füße frei, die eine Masse aus Haaren und vom Pilz befallenen Zehennägeln waren. Er trat ins Wasser und seufzte, als die kühlen Wellen über seine Zehen schwappten. Agrippina stieß ihre Sandalen ebenfalls von sich und folgte ihm. Cunedda, der schwerere Stiefel und Strümpfe im römischen Stil trug, setzte sich in den feuchten Sand, um sie auszuziehen.
    Dann standen die drei wie steinerne Statuen nebeneinander im Wasser und schauten ostwärts zu der grasbewachsenen Insel, dem ruhigen Ozean und dem fernen, unsichtbaren Europa dahinter.
    »Du überraschst mich, Nectovelin«, sagte Cunedda vorsichtig.
    »Weshalb?«
    »Du hast dem Jungen einen römischen Soldaten als Vorbild hingestellt. Was, wenn er irgendwann einmal einem Römer im Nahkampf gegenübersteht?«
    »Ich zeichne ihm ein überlebensgroßes Bild der Römer. Aber wenn Mandubracius sieht, was für kleine Jammergestalten sie in Wirklichkeit sind, wird er keine Angst vor ihnen haben.«
    »Dazu wird es sowieso nie kommen«, meinte
Agrippina. »Die Römer werden weder gegen die Catuvellaunen noch gegen die Briganten oder sonst jemanden kämpfen.«
    »Caesar hat es getan«, erwiderte Nectovelin.
    »Und ich habe gehört, wie Caratacus von einem Aufmarsch römischer Truppen in einer gallischen Küstenstadt gesprochen hat«, ergänzte Cunedda. »Er und sein Bruder hatten für den Fall, dass die Römer herübergekommen wären, sogar ein paar tausend Mann an der Küste zusammengezogen. Natürlich sind sie nicht gekommen, und dieses Jahr ist es ohnehin zu spät für einen Feldzug, also sind alle wieder nach Hause gegangen. Aber trotzdem …«
    »Aber trotzdem sind das alles bloß Gerüchte. Im Unterschied zu Caesars Zeit gibt es jetzt regen Handelsverkehr.« Sie zeigte auf einen Schatten am Horizont, ein gedrungenes Schiff mit schweren Segeln. Wahrscheinlich war es ein Handelsschiff aus Gallien, ein massiver Kahn aus zusammengenagelten Spanten, mit eisernem Anker und Segeln aus ungegerbtem Leder. »In Massilia heißt es, ein Einfall in Britannien lohne sich für die Römer nicht, weil sie so viel an den Zollgebühren verdienen.«
    »Caesar hat hier Krieg geführt.«
    »Außerdem haben die Römer Angst vor dem Ozean«, meinte Cunedda. »Ist es nicht so? Sie würden es ohnehin niemals wagen, das Meer zu überqueren.«
    »Caesar hat es überquert«, sagte Nectovelin schlicht. »In Wahrheit will niemand glauben, dass die Legionäre wiederkommen könnten, weil heutzutage
alle an den goldenen Zitzen Roms liegen. Du bist Töpfer, nicht wahr, mein Junge?«
    »Ja.« Tatsächlich war Cunedda viel mehr als das; er hatte sein Erbe gut genutzt, betrieb nun ein florierendes Gewerbe und beschäftigte zwanzig Kunsthandwerker.
    »Und an wen verkaufst du deine Tonwaren? An die Römer?«
    »Nicht nur an die Römer …«
    »Auch an diejenigen, die sie nachäffen. Die Trinovanten, die Icener, die Atrebaten. Diejenigen, die unter ihrem Schutz leben. Jedenfalls nicht an uns Briganten.« Nectovelin stupste Cunedda mit dem Finger vor die Brust. »Wenn die Römer nicht wären, könntest du nicht davon leben, habe ich recht?«
    »Immer mit der Ruhe, alter Mann«, sagte Agrippina. »Vergiss nicht, er
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