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Imperator

Imperator

Titel: Imperator
Autoren: Stephen Baxter
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vom Zentrum jedoch kein Sold mehr kam, oblag es den Einheimischen, den Bauern, das Kastell zu versorgen, indem
sie in Naturalien zahlten – mit Nahrungsmitteln, Materialien, Tieren und Arbeit.
    »Es gab vernehmliches Murren«, sagte Tarcho ehrlich. »Aber dann kamen die Pikten. Eines Nachts haben sie versucht, heimlich über den Wall zu klettern. So was von dreist! Nun, meine Männer haben ihre römischen Rüstungen und Waffen hervorgeholt, und wir haben uns formiert und dieses Pack verjagt. Danach haben die Bauern höchst bereitwillig ihren Obolus entrichtet, und als der Herzog vor ein paar Monaten in Banna war, sind sie gekommen, um ihm zuzujubeln …«
    Isolde fragte sich zynisch, was den Bauern anderes übrig geblieben war, als zu bezahlen. Dieser Herzog der britannischen Provinzen, ein römischer Befehlshaber, schien sich als Kriegsherr eines sehr alten Schlages herauszustellen, und der Wall war seine Machtbasis. Kein Wunder, dass dieser Getreidespeicher etwas von der Halle eines Barbarenhäuptlings hatte. Trotzdem, vielleicht waren die Einheimischen froh über eine gewisse Ordnung und einen gewissen Schutz, denn das war besser als nichts. Und wenn sie auf ihrem Land arbeiteten, war es vielen von ihnen vielleicht herzlich gleichgültig, wer sich von heute auf morgen als ihr Herr bezeichnete.
    Sie merkte, dass Tarcho kein Wort über die Provinzregierung in Eburacum verlor, die offiziell nach wie vor die Herrschaft über dieses Gebiet besaß. Augenscheinlich war die politische Lage auch zehn Jahre nach der britannischen Revolution immer noch ungeklärt.

    »Ah«, sagte Nennius, »aber hat es so kommen müssen ? Musste die große Flut des Imperiums von Britannien zurückweichen?«
    Tarcho runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Pelagius predigt den freien Willen«, sagte Nennius. »Jeder von uns hat die Freiheit, sein Schicksal zu formen. Die Zukunft ist nicht festgelegt – sie hängt von den Entscheidungen ab, die wir treffen –, und darum war auch die Vergangenheit formbar , abhängig von den Handlungen der Menschen.« Er lächelte. »Es gibt einen Abschnitt bei Livius, geschrieben vor der Zeit des Augustus, in dem er darüber spekuliert, was wohl geschehen wäre, wenn Alexander weitergelebt hätte, statt so früh zu sterben. Angenommen, er hätte seine Aufmerksamkeit nach Westen gelenkt, statt seine Kräfte in den endlosen Wüsten des Ostens zu verzetteln?«
    »Dann wäre er schon damals mit Rom aneinandergeraten«, sagte Maria.
    »Ja – mit einem jungen, kraftvollen Rom, das ihn besiegt hätte – das schreibt jedenfalls der gute Römer Livius! Die Geschichte, die uns so festgelegt vorkommt, ist in Wahrheit ein brüchiger Wandteppich, dessen Webmuster von menschlichen Launen abhing. Und genau darauf will ich hinaus. Wenn die Entscheidungen der Kaiser anders ausgefallen wären, flöge der Adler vielleicht auch jetzt noch über Britannien.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen«, meinte Tarcho nüchtern.

    »Dann nimm ein Beispiel«, sagte Nennius. »Was, wenn dieser Wall nie gebaut worden wäre ? Wenn Kaiser Hadrian beschlossen hätte, nicht die hiesige Grenze zu befestigen, sondern die gesamte Insel Britannien zu erobern, bis hinauf in den Norden, und wenn er ein oder zwei Legionen abgestellt hätte, um sie zu halten? Man hat es nämlich mehrmals versucht, weißt du, angefangen von Claudius über Severus bis hin zu Konstantius Chlorus, der eine Streitmacht in den fernen Norden geführt hat.«
    »Aber der Boden da oben ist schlecht, und die Menschen sind hässliche Wilde, die in den Sümpfen leben«, wandte Tarcho pragmatisch ein. »Was hätte das für einen Zweck gehabt? Besser, man zieht hier eine Linie.«
    »Kurzfristig vielleicht. Aber wir leben mit den langfristigen Folgen von Hadrians Entscheidung, Tarcho. Und was stellen wir fest? Geschützt von einer Grenze aus Stein, haben die Barbaren sich hinter dem Wall organisiert, zusammengeschlossen und fähige Anführer gefunden, und nun brechen sie durch, um uns zu zermalmen. Doch wenn Hadrian das Land der Caledonier erobert hätte, wären sie jetzt Römer , und Britannien wäre sicher, zumindest im Innern. Denk darüber nach – eine ganze Insel als Garnison für Westeuropa. Hätte man Gallien und Spanien dann nicht verteidigen können, als die Franken und Goten kamen?«
    »Tja nun, wenn ihr wissen wollt, was ich denke«, sagte Maria unvermittelt, »so sind wir alle in diese
verfahrere Situation geraten, weil Konstantin das
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